Ein Kamerateam des Fernsehsenders MBC aus Seoul hat den Waldkindergarten Wurzelzwerge in Filderstadt-Plattenhardt besucht und dabei nicht schlecht gestaunt. Aber was ist an dem deutschen Kindergarten so interessant für die Südkoreaner?

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Plattenhardt - Björn und Mika hangeln sich an einem Seil eine steile Erdwand im Wald nach oben. Das geht behände und mit sicheren Tritten – das Einzige, was die beiden Fünfjährigen ablenkt, ist eine Drohne, die über ihren Köpfen schwirrt. „Die hat coole Lichter“, sagt Mika beim Blick nach oben, und Björn meint: „Die sieht ein bisschen brutal aus, wie ein Hammerhai.“

 

Die Drohne gehört zu dem vierköpfigen Kamerateam, das vor ein paar Tagen aus Seoul angereist ist, um sich ein Bild von deutscher Kleinkindpädagogik zu machen. Dafür haben sie einen Spielplatzdesigner, eine Grundschule sowie ein bayrisches Schulamt aufgesucht. Dass auch die Wurzelzwerge des Waldkindergartens in Plattenhardt besucht wurden, war purer Zufall. „Wir haben im Internet recherchiert“, sagt Bokjung Kim, der die Aufnahmen koordiniert. Er hat früher drei Jahre lang in Heidelberg studiert und dolmetscht mit perfektem Deutsch für seine Kollegen.

Koreanische Kinder spielen mehr drinnen

Bokjung Kim staunt nicht schlecht über die Kinder, die völlig angstbefreit durch die Waldschlucht klettern und über Wurzeln hüpfen. „In Korea wäre das den Eltern viel zu gefährlich. Dort findet das meiste Spielen innen statt“, sagt Kim. Zwar gebe es auch ein paar Waldkindergärten, doch die seien eine Seltenheit. Das sei auch kein Wunder: In der zehn Millionen Einwohner zählenden Stadt seien die Wege in die Natur sehr weit. Kim gefällt das Konzept: „Ich finde es sehr gut, dass die Kinder früh mit der Natur in Kontakt kommen. Sie bewegen sich darin sehr sicher.“

Vergleicht er die deutsche Kleinkindpädagogik mit der südkoreanischen, fällt ihm auf: „Bei uns steht die Leistung im Vordergrund, der Wettbewerb ist groß. Hier geht es um’s Spielen, um Lernen mit Spaß.“ Zuhause in Korea werde schon im Kindergarten Mathe geübt und Englisch beigebracht. Die Kinder besuchten dort ab einem Alter von drei, vier Jahren den Kindergarten, dessen Kosten vom Staat übernommen werden.

Die Leiterin des Waldkindergartens, Germaine Baumann, freut sich über den weit angereisten Besuch. „Die Kinder waren heute Morgen ein bisschen nervös und etwas aufgedrehter als sonst. Sie sind schon sehr gespannt auf den Film, den wir dann zusammen anschauen wollen“, sagt Baumann. Bokjung Kim warnt jedoch vor, dass von dem einstündigen Beitrag wahrscheinlich nur sieben Minuten von den Wurzelzwergen gezeigt werden.

Wie steht es mit der Angst?

Ein Ausschnitt könnte darin ein Interview sein, das Kim mit Margareta Rakel, der Vorsitzenden des Waldkindergartens, geführt hat. Zwei Kinder von ihr haben die Gruppen früher besucht, der jüngste Sohn ist aktuell dabei. „Haben Sie keine Angst um ihr Kind?“, möchte Kim wissen. Anfangs ja, beim Ältesten sei sie die erste Woche jeden Tag mit in den Wald gegangen; inzwischen aber nicht mehr. „Denken Sie, dass es Ihrem Kind guttut?“, lautet die nächste Frage. Rakel nickt. „Die frische Luft, die Natur – das tut den Kindern sehr gut. Sie erleben die Jahreszeiten, sehen, wie Dinge wachsen und vergehen. Sie begleiten das Leben.“ Ihr Sohn komme ausgetobt und ausgeglichen nach Hause. Und wenn dem Kind was passiert? Ein Telefon sei vor Ort, die Erzieher seien geschult und hätten ein Sicherheitstraining absolviert. „Ich habe Vertrauen“, sagt Rakel.