In einem Video auf Youtube distanziert sich der Popsänger Xavier Naidoo von homophoben, antisemitischen und rechtsradikalen Äußerungen: eine reuevolle Beichte, die man ihm noch nicht recht abnimmt.

Der Krieg in der Ukraine verändert vieles, offenbar auch die Sicht eines Popsängers auf sich und die Welt. Oder ist es gar nicht der Krieg, sondern die Angst, ins Abseits gedrängt zu werden, Fans zu verlieren und noch mehr Konzertabsagen zu kassieren als in den vergangenen Monaten? 2020 hat Xavier Naidoo einen Song mit diesen Zeilen veröffentlicht: „Ich hab’ fast alle Menschen lieb, / aber was, wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, / bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt, / dann muss ich harte Worte wählen. / Denn keiner darf meine Leute quälen.“ Die Folge: Rausschmiss aus der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“. Dabei war der Mannheimer zuvor schon angeeckt. Zum Beispiel mit homophoben Äußerungen: „Ihr tötet Kinder und Föten, / und ich zerquetsch euch die Klöten“, drohte er 2012 in einem Song. In den letzten Jahren reihte sich der Sänger nicht nur in die Coronaproteste ein, sondern teilte rechtsextreme Inhalte und Verschwörungserzählungen über eine international agierende Elite, die mithilfe der Pandemie eine neue Weltordnung installieren wolle.

 

Ein Dokument der Reue

Im Dezember letzten Jahres hat das Bundesverfassungsgericht außerdem die Urteile von Vorinstanzen gekippt und bestätigt: Ja, Xavier Naidoo habe mit Äußerungen und Songs ausreichend Gründe geliefert, um ungestraft als Antisemit bezeichnet werden zu dürfen; die Kunstfreiheit decke seine Aussagen nicht.

Nun aber dies. Am Dienstag hat Naidoo auf Youtube ein Statement veröffentlicht. Ein Dokument der Reue. „Nationalismus, Homophobie und Antisemitismus sind mit meinen Werten nicht vereinbar“, sagt der 50-Jährige in dem gut dreiminütigen Video unter dem Titel „#OneLove“. Er stehe vielmehr „für Toleranz, Vielfalt und ein friedliches Miteinander“.

Zwar hat sich Xavier Naidoo schon zuvor gegen den Vorwurf gewehrt, rechtsextremen Verschwörungserzählungen wie etwa jener der QAnon-Bewegung nahezustehen. Das aktuelle Video jedoch ist eine komplette Kehrtwende – und mutet an wie die Beichte eines reuigen Sünders. „Ich habe mich Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen geöffnet, von denen ich mich ohne Wenn und Aber lossage“, sagt der Künstler. Er habe „wie in einer Blase“ gelebt, habe sich „letztlich verrannt“ und sich „zum Teil instrumentalisieren“ lassen. „Das habe ich leider jetzt erst erkannt. Ich habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue.“ Der Grund: „Zentraler Punkt meines Charakters ist die Suche nach Wahrheit“, und der Weg dorthin sei halt „nicht nur gerade“. Der Krieg in der Ukraine, der auch seine eigene Familie betrifft (Naidoos Frau ist Ukrainerin), habe ihn nicht nur „schockiert und tief erschüttert“, sondern ihm auch bewusst gemacht, „wie wichtig es ist, sich selbst zu reflektieren“.

Vom Saulus zum Paulus

Jetzt also: Entschuldigung. Für die „verstörenden Äußerungen“, mit denen er Familie, Freunde und Fans „irritiert und provoziert“ habe. Und Distanzierung „von allen Extremen, insbesondere von rechten und verschwörerischen Gruppen“. Im Beichtstuhl führen Schuldbekenntnis und Reue zur Vergebung. Ob Fans und Veranstalter auch dazu bereit sind, wird sich noch zeigen müssen. In jedem Fall wird Xavier Naidoo erst noch beweisen müssen, ob er sich wirklich vom Saulus zum Paulus gewandelt hat. Das Image des Künstlers hat jedenfalls Schrammen bekommen. Und man wird noch mehr als bisher mit der englischen Aussprache seines Vornamens Probleme haben: Ein Saviour, also ein Erlöser, ist dieser Mann nicht.

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