Immer mehr börsennotierte Unternehmen in Deutschland bekommen Probleme, ihre selbst gesteckten Ziele für das laufende Geschäftsjahr zu erreichen. Dies ist auch eine Folge der weltweiten Handelskonflikte. Besonders in einer Branche zeigt der Trend nach unten.

Stuttgart - Trotz der guten Konjunkturentwicklung mussten im ersten Halbjahr dieses Jahres deutlich mehr börsennotierte Unternehmen in Deutschland ihre Prognosen nach unten korrigieren als im Vorjahreszeitraum. Das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung EY. „In den letzten Monaten haben vor allem stark im internationalen Wettbewerb stehende und im Ausland engagierte Unternehmen Probleme bekommen, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Sie sind besonders betroffen von weltweiten geopolitischen Entwicklungen“, beobachtet Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. Die Unsicherheiten seien so groß wie schon lang nicht mehr: „Der Handelskonflikt zwischen den USA und China führt inzwischen zu spürbaren Einbußen für exportorientierte deutsche Unternehmen.“

 

Die Zahl der Umsatz- oder Gewinnwarnungen sei von 29 auf 42 gestiegen, und damit auf den höchsten Stand in einem ersten Halbjahr seit 2011, als die Analyse erstmals durchgeführt worden sei, so EY in einer Pressemitteilung von Donnerstag. Jedes achte Unternehmen habe eine Warnung rausgegeben. Gleichzeitig habe sich die Zahl der positiven Korrekturen, bei denen die Unternehmen das Übertreffen ihrer bisherigen Prognosen ankündigen, von 106 auf 42 mehr als halbiert.

Vor allem international aufgestellte Konzerne sind betroffen

Im gesamten Prime Standard habe im ersten Halbjahr fast jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) mindestens einmal seine eigene Prognose kassiert, wobei die S-Dax- und Dax-Konzerne die meisten positiven Korrekturen aufwiesen – 20 beziehungsweise 17 Prozent der Unternehmen hätten ihren Ausblick nach oben angepasst –, während bei Negativ-Korrekturen vor allem die Dax-Konzerne betroffen gewesen seien: 17 Prozent – also fünf Unternehmen – hätten ihren Prognose im ersten Halbjahr nach unten revidiert. Im Vorjahreszeitraum hatte der Anteil nur bei drei Prozent gelegen. Neben dem Autohersteller Daimler korrigierten im ersten Halbjahr auch der Autozulieferer Continental, der Logistikkonzern Deutsche Post, die Deutsche Bank sowie der Dialysekonzern Fresenius Medical Care ihre Erwartungen nach unten.

Noch in der zweiten Hälfte des Vorjahres hätte sich die weltweite Konjunktur überraschend stark gezeigt, und viele Unternehmen hätten ihre Prognosen nach oben angepasst, so dass die Zahl der Aufwärtskorrekturen auf ein Rekordniveau gestiegen sei, so EY – nun schwinge das Pendel zurück, die Zahl der Umsatz- und Gewinnwarnungen nehme deutlich zu. „Wir bewegen uns schon seit einiger Zeit am oberen Rand des Konjunkturzyklus – und es mehren sich die Anzeichen, dass eine Abkühlung bevorsteht“, sagt Marc Förstemann, Partner bei EY in der operativen Restrukturierungsberatung.

Unternehmen aus der Autoindustrie im Fokus

Eindeutig nach unten zeige der Trend für Unternehmen aus der Autoindustrie, von denen jedes vierte im ersten Halbjahr eine Umsatz- oder Gewinnwarnung herausgegeben habe, während von keinem einzigen eine positive Korrektur veröffentlicht worden sei. Beispielsweise hat Daimler am 21. Juni unter anderem wegen drohender US-Strafzölle und der Rückrufe für Dieselautos eine Gewinnwarnung veröffentlicht, die zu einem Kursrutsch um mehr als drei Prozent führte. Umgekehrt überwogen bei Software-Unternehmen, Immobilienkonzernen und Telekommunikationsunternehmen eindeutig die positiven Korrekturen. So hat beispielsweise die Deutsche Telekom im Mai ihre Prognose erhöht.

„Unternehmen können sich als Antwort auf das neue Umfeld international breiter aufzustellen, um unabhängiger von Zöllen und Handelsschranken zu werden. Oder sie verstärken sich vor Ort durch den Zukauf ausländischer Unternehmen. Alle diese Strategien sind allerdings auch nicht ohne Risiko“, so Förstemann.

Schlechte Nachrichten schlagen stärker durch als gute

Laut EY hatten die Prognoseänderungen auch deutliche Auswirkungen auf die Kurse. Besonders stark seien die Ausschläge zuletzt bei Unternehmen gewesen, die ihren Ausblick nach unten korrigieren mussten: Im Durchschnitt seien die Kurse am Tag der Gewinnwarnung um sieben Prozent gesunken und konnten sich auch in der Folgewoche nicht wieder erholen – im Gegenteil: Eine Woche nach Bekanntgabe der Gewinnwarnung habe der Aktienkurs im Durchschnitt um neun Prozent niedriger als vor der Ad-hoc-Meldung gelegen. Daimler-Aktien notierten am 28. Juni etwa 8,6 Prozent niedriger als am 20. Juni, dem Tag vor der Gewinnwarnung. Wenn hingegen Unternehmen ein Übertreffen ihrer Gewinnprognosen ankündigten, führte das im Schnitt zu einem Anstieg des Aktienkurses um nur zwei Prozent – sowohl am Tag der Bekanntmachung als auch noch eine Woche später.

„Positive Korrekturen werden an der Börse derzeit kaum honoriert, während Gewinnwarnungen zu deutlichen Einbußen führen. Tief stapeln lohnt sich also für die Unternehmen nicht, zu optimistische Prognosen werden hingegen kräftig abgestraft“, fasst Steinbach zusammen.