Das Zahnradbahn-Gespräch mit Prominenten aus dem Sport: auf dem Weg nach oben erzählen sie von ihren Karrierehöhepunkten, auf dem Weg nach unten von Tiefpunkten – heute Deutschlands bekannteste Gymnastin Magdalena Brzeska.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - So etwas nennt man unkompliziert. „Hallo, ich bin die Magda, es spricht doch nichts dagegen, uns zu duzen, oder?“ Überhaupt nichts. Magdalena Brzeska ist gerade am Stuttgarter Hauptbahnhof angekommen und streckt einem erst die Hand und dann den Hund entgegen: „Das ist Angel, ein Malteser“, sagt die erfolgreichste deutsche Sportgymnastin und gibt auch noch gleich die dazuhörige Erklärung ab, die vielen Hundebesitzern bekannt vorkommen dürfte. „Bevor Angel ins Haus kam, haben mir meine Töchter versichert, jeden Tag Gassi zu gehen. Komischerweise waren sie mit dem Hund bisher aber noch kein einziges Mal unterwegs. Mich gibt es deshalb nicht mehr ohne Angel“, sagt Magdalena Brzeska und lacht.

 

Magdalena Brzeska lacht viel. Daran kann auch ein anstrengender Tag nichts ändern. Sechs Uhr aufstehen, mit dem Zug vom Wohnort Ulm nach Stuttgart, Zahnradbahn-Gespräch, zurück nach Ulm, schnell in die Sporthalle der TSG Söflingen und bis spät am Abend den Nachwuchs in Rhythmischer Sportgymnastik unterrichten. „Ich bin sehr froh, dass ich jetzt als Trainerin arbeite“, sagt Magdalena Brzeska auf der Autofahrt vom Bahnhof zum Marienplatz, wo das Zahnradbahn-Gespräch über die Höhepunkte und Tiefpunkte ihrer Karriere beginnen wird.

„Die Arbeit mit den jungen Sportlerinnen macht mir viel Spaß. Es ist gut, eine Aufgabe neben Fernsehshows und rotem Teppich zu haben.“ Ob Turmspringen mit Stefan Raab, die RTL-Show „Let’s Dance“, Promiparty, Presseball – die 35-Jährige ist seit Jahren ein Stammgast bei Showveranstaltungen. „Wahrscheinlich auch, weil ich zuverlässig und nicht zickig bin – und außerdem auch noch jeden Blödsinn mitmache.“ Nur eines will sie sich auf gar keinen Fall antun. „Das Dschungelcamp kommt nicht infrage.“ Dafür aber das fast genauso abenteuerliche Zahnradbahn-Gespräch, das nach der Ankunft am Marienplatz beginnen kann.

Brzeska: „Ich habe mich gerne gequält“

Angel agiert auch in der Zacke weiterhin erfreulich unauffällig und macht es sich als Schoßhündchen bequem, während Magdalena Brzeska dem Fahrplan des Zahnradbahn-Gesprächs folgt und auf ihre Karrierehöhepunkte zu sprechen kommt. „Auf die deutschen Meistertitel bin ich stolz“, sagt sie. Insgesamt 26-mal hat sie in den fünf Disziplinen mit Seil, Reifen, Ball, Keule und Band gewonnen und blieb damit zwischen 1991 und 1998 ungeschlagen – bis zu ihrem Karriereende mit 20 und mit Arthrose im Fuß. „Die deutschen Meisterschaften waren ganz besondere Herausforderungen für mich, weil es natürlich auch medial ein großes Ding gewesen wäre, wenn ich einmal verloren hätte.“ Hat sie aber nicht.

Und so prägte Magdalena Brzeska wie keine andere eine Sportart in Deutschland – als Alleinunterhalterin. Als Aussiedlerin begann die Karriere der gebürtigen Polin. Mit 13 landeten sie und ihre Eltern in einem Auffanglager in Hamburg. Weiter ging es für die ehrgeizige Sportgymnastin nach Fellbach-Schmiden, wo sie fortan von Kristina Georgiew trainiert wurde. „Ich habe mich gerne gequält“, sagt Magdalena Brzeska über die harten und teilweise psychisch belastenden Methoden in der Weltspitze der Sportgymnastik, wo die Waage so etwas wie das sechste Gerät ist. „Ich persönlich habe das nicht als schlimm empfunden, aber ich weiß, dass alles sehr bedrückend wirken kann“, sagt Magdalena Brzeska, die als Trainerin nun vor allem den Spaß an der Sportart vermitteln will und als erste Amtshandlung die Waage aus der Sporthalle entfernt hat.

Die Zahnradbahn ist am Wendepunkt in Degerloch angekommen und Magdalena Brzeska bei Olympia. Die Spiele 1996, von denen sie berichtet, liegen bei ihr auch irgendwie dazwischen, halb Höhe-, halb Tiefpunkt. Zunächst einmal ist sie glücklich, überhaupt in Atlanta dabei zu sein, nachdem ihre Teilnahme an den Spielen 1992 daran gescheitert war, dass Funktionäre es versäumt hatten, ihren deutschen Pass rechtzeitig zu beantragen. Vier Jahre später nun erreicht Magdalena Brzeska das Finale der besten zehn Turnerinnen, sie ist dort angekommen, wo sonst Russinnen und Bulgarinnen unter sich sind.

Doch genießen kann sie den Erfolg nicht, weil ihre Gedanken bei der krebskranken, im Sterben liegenden Trainerin in Deutschland sind. Unmittelbar nach den Spielen stirbt Kristina Georgiew. „Sie hätte mich so gerne begleitet, und ich hätte sie so gerne dabei gehabt. Ihr habe ich viel zu verdanken. In der Halle war sie knallhart, privat aber liebevoll und sehr einfühlsam.“

Die Vorbereitung für „Lets Dance“ steht an

Die Zahnradbahn setzt sich wieder in Bewegung, mit Magdalena Brzeska geht es jetzt bergab. Die passende Gelegenheit, um auf die Männer in ihrem Leben zu kommen. „Das waren keine Tiefpunkte“, wehrt die alleinerziehende Mutter gleich ab – zweier Scheidungen zum Trotz. Ehemann Nummer eins ist der Bochumer Fußballprofi Peter Peschel gewesen, den Magdalena Brzeska am Ende ihrer Karriere kennenlernte, als sie für den TV Wattenscheid startete. „Mit ihm zusammen habe ich zwei Kinder, von Tiefpunkt kann also überhaupt keine Rede sein.“

Die ältere Tochter ist 13 und gilt als großes Tennistalent. Die Zwölfjährige eifert der Mutter in der Rhythmischen Sportgymnastik nach und besucht in Schmiden das Sportinternat. Und große Sorgen hat sie ihrer Mutter gemacht. Im September 2012 verbrüht sich Noemi beim Suppenkochen und muss sofort ins Stuttgarter Olgahospital eingeliefert werden, wo sie notoperiert wird. „Du hast Angst und machst dir Vorwürfe, dein Kind nicht beschützt zu haben“, sagt Magdalena Brzeska. Und dann der erste Besuch nach der Operation im Krankenhaus. „Die Verbände an den Beinen waren verrutscht, und es sah schlimm aus. Aber meine Tochter sagt zu mir, dass die Haut doch schon wieder richtig gut aussehen würde. Ja, habe ich gesagt, es sieht schon wieder richtig gut aus. Mittlerweile ist zum Glück tatsächlich alles ganz toll verheilt.“

Das Training ruft

Der Marienplatz ist nicht mehr weit, was Magdalena Brzeska recht sein soll: „Ich glaube, Angel muss mal.“ Für einen, der Angel zum ersten Mal erlebt, ist das allerdings nicht zu erkennen. Der Hund hat lediglich seine Position verändert. Er sitzt nun nicht mehr auf Magdalena Brzeskas Oberschenkel, sondern still zu ihren Füßen. Selten einen derart in sich ruhenden Hund erlebt. „Das ist halt mein guter Einfluss“, sagt Magdalena Brzeska, die mal wieder lacht und einem außerdem noch gegen den Oberarm boxt. Das hat was, und zwar was kumpelhaft Sympathisches.

Endstation. Angel muss nun doch nicht, dafür muss Magdalena Brzeska möglichst schnell wieder zurück nach Ulm – das Training ruft. Auf der Fahrt zurück zum Bahnhof erzählt sie, dass bald die Vorbereitungsphase für den nächsten „Lets Dance“-Auftritt ansteht, bei dem die Sieger der vorangegangenen Staffeln gegeneinander antreten. „Ich will wieder gewinnen“, sagt sie. Und auf die Frage, ob ihr das denn tatsächlich wichtig sei, antwortet sie: „Ja, natürlich, sonst würde es doch keinen Grund für mich geben, daran teilzunehmen.“