Das Zahnradbahngespräch mit Prominenten aus dem Sport: Auf dem Weg nach oben erzählen sie von ihren Karrierehöhepunkten, auf dem Weg nach unten von Tiefpunkten – heute: ein dreifacher Daviscupsieger.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Carl-Uwe Steeb lächelt freundlich. Wahrscheinlich weiß er genau, wie dieses sympathisch wirkende Grinsen eingesetzt werden muss. Zunächst einmal entschuldigend und aus der Distanz. Zu einer Begrüßung per Handschlag kann es auf dem Marienplatz nämlich noch nicht kommen, weil Steeb mit seinem weißen Smartphone telefoniert – geschäftlich. Das ist jetzt allerdings ein Problem, weil die Zahnradbahn jeden Moment abfährt. Um das Gespräch über die Höhe- und Tiefpunkte in der Karriere des einstigen deutschen Tennisstars rechtzeitig in die Spur zu bekommen, muss Steeb per Handzeichen ganz schnell in die Bahn dirigiert werden. Er lächelt und spricht in sein Telefon: „Ich muss wirklich Schluss machen, also tschüss“ – und zu seinem Gegenüber: „Hallo, tut mir leid, dass Sie warten mussten.“

 

Es kann losgehen. Abfahrt. Und ganz ohne Vorgeplänkel rein ins Gespräch. Die erste Haltestelle an der Liststraße ist gerade erreicht, und Carl-Uwe Steeb ist schon ganz oben angekommen – beim Daviscupsieg 1988 in Göteborg. Für den ersten deutschen Erfolg in diesem so traditionsreichen Wettbewerb legte der gebürtige Aalener den Grundstein. In fünf Sätzen bezwang er damals den Weltranglistenersten Mats Wilander. Es folgte der Sieg von Boris Becker über Stefan Edberg. Und dann das Doppel, das Steeb als Zuschauer erlebte. „Plötzlich hatten wir zwei Matchbälle“, erinnert sich Steeb, „dann unterlief Eric Jelen ein Doppelfehler, die Spannung war unglaublich.“ Die löste sich, als Boris Becker im nächsten Ballwechsel dazwischen ging und den Flugball verwandelte.

„Ich habe Boris Becker viel zu verdanken“

„In Göteborg habe ich die schönsten und emotionalsten Momente meiner Karriere erlebt“, sagt der 45-Jährige. Und den Charly kannte plötzlich ganz Deutschland. Er war ein strahlender Star, der sich auf der Titelseite der „Bravo“ wiederfand. „Ich habe Boris Becker viel zu verdanken“, sagt Steeb, „er hat das Tennis in Deutschland groß gemacht, und ohne ihn wären die Erfolge mit der Mannschaft nicht möglich gewesen.“ Becker knipste das Rampenlicht an, in dem nun auch Steeb stand.

Beide verbindet noch mehr als die zwei weiteren gemeinsamen Daviscup-Erfolge 1989 und 1993, die für Steeb aber nicht den Stellenwert des ersten Triumphes haben: Carl-Uwe Steeb ist Patenonkel vom ältesten Becker-Sohn und umgekehrt.

Kurze Gesprächsunterbrechung an der Haltestelle Haigst: Carl-Uwe Steeb wird es auf seinem Fensterplatz auf der von Zahnradbahnprofis gemiedenen Sonnenseite zu heiß. Mit dem Platzwechsel entfernt sich Steeb nun auch vom Teamwettbewerb und spricht über die drei Turniersiege seiner Karriere in Gstaad, Genua und Moskau: „Das ist natürlich nicht mit dem Daviscup vergleichbar, aber für mich waren diese Erfolge auch sehr wichtig, weil sie mir bewiesen haben, dass ich auch alleine etwas erreichen kann.“

„In den tollsten Städten habe ich nur den Tennisplatz gesehen“

Der höchste Punkt der Zahnradbahnfahrt ist gleich erreicht, und Carl-Uwe Steeb sagt: „Jetzt hätte ich fast meine Olympia-Teilnahmen 1988 und 1992 vergessen. Das waren auch echte Highlights.“ Vor allem die Spiele in Barcelona haben es Steeb angetan. „Vier Jahre zuvor in Seoul wurden wir Tennisspieler noch skeptisch von den Teamkollegen beobachtet. So nach dem Motto: was haben die denn bei Olympia verloren? Im Laufe der Zeit sind dann aber Freundschaften entstanden: mit dem Hochspringer Carlo Thränhardt, dem 400-Meter-Läufer Norbert Dobeleit und dem Hockeyspieler Stefan Blöcher.“

Wendemarke Degerloch. Eigentlich könnte Carl-Uwe Steeb jetzt aussteigen, schließlich feiert an diesem Tag nur wenige hundert Meter entfernt von hier sein Sohn Luke den Abschluss an der Internationalen Schule – mit einer Grillparty. Carl-Uwe Steeb bleibt sitzen, es geht bergab, zurück zum Marienplatz. Zeit für die Tiefpunkte in Steebs Karriere. Er lächelt – diesmal etwas verlegen. So richtig dienen kann er nicht mit dunklen Momenten. Sieht man einmal von einer Knieoperation 1993 ab und der verpassten Chance, ein Top-Ten-Spieler zu werden. Bis auf Platz 14 der Weltrangliste hat es Steeb geschafft. „Für den letzten Schritt fehlte mir aber das Vertrauen in die eigene Stärke und die Lockerheit“, sagt er und hadert jetzt ein bisschen mit sich selbst. „Ich war in den tollsten Städten der Welt und habe dort nichts anderes gesehen als den Tennisplatz und das Hotelzimmer. Ich war zu verkrampft, dachte nur ans Tennis.“

Auch wenn die eigene Karriere von Tiefpunkten weitgehend verschont geblieben ist, sind Carl-Uwe Steeb Abstürze nicht fremd. Er ist sogar eine Experte für den vermutlich tiefsten Fall, den es im deutschen Sport gegeben hat. Als Agenturchef organisiert er nicht nur Veranstaltungen wie das Münchner BMW-Open-Tennisturnier, sondern vermarktet auch Sportler. Der prominenteste Klient seiner Firma: Jan Ullrich, das vom Sockel geholte deutsche Radsportdenkmal. „Durch ihn habe ich eine Ahnung davon bekommen, was es heißt, gefangen zu sein“, sagt Steeb und meint den Druck, der nach den Doping-Enthüllungen auf Ullrich lastete. Der Tour-de-France-Sieger habe sich irgendwann ganz in sich zurückgezogen. Dieser Zustand lässt sich doch ändern, dachte sich Carl-Uwe Steeb. Mit seinem Mitarbeiter Falk Nier, ebenfalls ein ehemaliger Tennisprofi, unterstützt er Jan Ullrich nun dabei, in der Öffentlichkeit wieder Fuß zu fassen – zum Beispiel als Stargast von Jedermann-Rennen. „Die Leute reagieren sehr positiv auf ihn“, das hat Steeb festgestellt.

„Ich fühle mich in Stuttgart wohl und daheim“

Endstation. Von hier sind es für Carl-Uwe Steeb nur ein Paar Schritte nach Hause. An der Karlshöhe, vom Marienplatz gerade einmal eine steile Staffel entfernt, wohnt und arbeitet er seit zweieinhalb Jahren. Zuvor lebte Steeb mit seiner Frau und den beiden Söhnen auf Mallorca – bis ihm die ständigen Geschäftsreisen nach Deutschland zu viel geworden sind. „Ich fühle mich in Stuttgart wohl und daheim“, sagt Carl-Uwe Steeb, der noch auf einen Kaffee mitkommt – ins Café Kaiserbau, der Endstation das Zahnradbahngesprächs.

Es ist dann ein Espresso Macchiato, den er sich bestellt. „Essen darf ich nichts, ich muss ja nachher noch beim Grillen richtig hinlangen“, sagt Carl-Uwe Steeb. Vorher erzählt er aber noch ein bisschen über seine Tätigkeit beim Deutschen Tennis-Bund, dessen Vizepräsident er seit eineinhalb Jahren ist. Dem Bedeutungsverlust, den das deutsche Tennis in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren erfahren hat, will Steeb an der Seite des DTB-Präsident Karl-Georg Altenburg entgegensteuern. Steeb weiß aus eigener Erfahrung: ein neuer Vorzeigespieler würde vieles entscheidend leichter machen.

Carl-Uwe Steeb schaut auf die Uhr und sagt: „Der Grill ruft.“ Er lächelt.