Im Zahnradbahngespräch erzählt diesmal Conny Mittermeier über die Hochs und Tiefs in seiner Karriere. Dieser besondere Trainer hat immer wieder Spitzenboxer entwickelt, mit denen er die ganz großen Erfolge aber nicht feiern durfte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Conny Mittermeier ist immer noch im WM-Kampfmodus. Das Duell zwischen Tyron Zeuge und dem Italiener Giovanni de Carolis lässt den Boxtrainer einfach nicht los. Als er gerade damit beginnen will, über das Unentschieden vor einigen Tagen in der Berliner Max-Schmeling-Halle zu berichten, klingelt sein Smartphone. Dann erzählt er die adrenalinhaltige Story eben erst einem Kumpel namens Sebastian. „Sebastian, wenn sich der Tyron in der sechsten Runde nicht an der Schulter verletzt hätte, dann wäre er jetzt Weltmeister, stell dir das mal vor“, ruft Konrad Mittermeier, den alle nur Conny nennen, ins Telefon.

 

Das ist am Marienplatz, der Auftakt zum Zahnradbahngespräch mit einem bayerischen Original, das schon seit 30 Jahren in Stuttgart lebt. Mittermeier stammt aus der Nähe von München, und so redet er auch. Lediglich ein schwäbischer Begriff hat einen festen Platz in seinem Wortschatz: „Mei Mädle“ sagt der 54-Jährige, wenn er über seine Frau Sonja spricht, die aus Untertürkheim kommt und mit der er im Stuttgarter Westen wohnt.

Aber jetzt schnell zurück nach Berlin. Dort verpasste es Tyron Zeuge, der zurzeit wohl talentierteste Boxer Deutschlands, ganz knapp, Weltmeister im Supermittelgewicht zu werden. Der 24-Jährige wird in Schwerin von Jürgen Brähmer trainiert, mit 37 Jahren selbst amtierender Weltmeister im Halbschwergewicht. Und der hat Conny Mittermeier mit in sein Team geholt. „Mit dem Kampf hat Tyron Zeuge Werbung für sich gemacht, er wird bald wieder um einen WM-Titel boxen“, sagt Conny Mittermeier, der jetzt auch wieder richtig im Geschäft ist und nun Jürgen Brähmer auf dessen nächsten WM- Kampf am 1. Oktober gegen den Briten Nathan Cleverly vorbereitet.

Hinter Mittermeier liegt eine wechselvolle Zeit als Boxtrainer. „Mit vielen Aufs und Abs“, sagt er. Um die Höhepunkte und Tiefpunkte einer Karriere soll es im Zahnradbahngespräch ja auch gehen. Also, rein in die Zacke und: Abfahrt!

Und dann spricht Conny Mittermeier mit einer solchen Hingabe von seiner Sportart, wie man das ganz selten hört. Er erzählt zunächst nicht von großen Kämpfen und berühmten Boxern, sondern zeigt das Foto eines sechsjährigen Jungen, dem er gerade das Boxen beibringt. „Schau doch, was für eine gute Position der Noah schon hat. Hast du das gesehen?“ Interessant, aber mindestens genauso interessant ist es, dass es Menschen gibt, bei denen man sich freut, wenn sie einen gleich duzen. Conny Mittermeier gehört dazu.

Ein Dokumentarfilm als Denkmal

Diese besondere Ausstrahlung muss auch dem Regisseur und Kameramann Thomas Landenberger und dem Produzenten Thomas Siegle aufgefallen sein. Als Abschlussarbeit an der Filmakademie Ludwigsburg drehten sie die herausragende Dokumentation „Der Trainer“ mit und über Conny Mittermeier. Gezeigt wird in diesem Film so etwas wie der Archetyp eines Trainers: hart, einfühlsam, leidenschaftlich, authentisch. Und es geht um die besondere Beziehung zu seinem Schützling Festim Kryeziu, der sich als aufstrebender Boxer mittlerweile Timo Schwarzkopf nennt. „Uns gibt es nur als Doppelpack. Uns bringt nichts auseinander“, haben sich Kryeziu und Mittermeier damals geschworen. Etwas später wird es sich der junge Mann aus Wangen im Allgäu allerdings anders überlegen.

Bei der Premiere des Films 2011 sitzt der Schauspieler Jürgen Prochnow im Publikum und applaudiert. „Das war ein ganz besonderer Moment in meinem Leben“, sagt Conny Mittermeier. Ein weiterer Höhepunkt in seiner Karriere ist die Zusammenarbeit mit Vitali Tajbert, der mit seiner Familie als Spätaussiedler aus Russland nach Stuttgart kommt. Als Zehnjähriger wird er schon von Conny Mittermeier trainiert. Tajbert holt 2004 die olympische Bronzemedaille, wird Profi mit einem Trainer an der Seite, der mit seiner unverstellten Art nicht so recht ins Showgeschäft passen will, wo es vor allem um das schnelle Geld geht. Hier werden den Boxern große Versprechungen gemacht. Conny Mittermeier will keine Versprechungen machen. Er will trainieren, hart trainieren.

Er will zu dieser Zeit Boxer behutsam aufbauen, oftmals wütenden Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen ein verlässliches Umfeld schaffen. „Stabilität beim Boxen und im Leben geben“, nennt Mittermeier seine Ziele. „Aber vielleicht war ich auch zu blauäugig“, sagt einer, der tatsächlich auffallend blaue Augen hat und dessen Kindheit schwierig gewesen ist, nachdem sein Vater die Frau und die vier Kinder verlassen hatte.

Einige persönliche Enttäuschungen

„Wir hatten nie Geld“, sagt Conny Mittermeier. Früh zog er von Zuhause aus, wurde Boxer, ohne die ganz großen eigenen Ambitionen. „Es ist schon komisch, schon als Kind war es mein Traum, Trainer zu werden.“ Trotzdem wurde er selbst deutscher Meister bei den Amateuren und Kickbox-Europameister.

Am Zacke-Halt in Degerloch winkt ein Mann lächelnd Conny Mittermeier durch die offene Abteiltür zu. „Das ist ein guter Bekannter“, sagt der und winkt zurück.

Es sind aber nicht nur gute Bekanntschaften, die Mittermeier gemacht hat. Immer wieder hat er auch persönliche Enttäuschungen erlebt, und um die soll es jetzt auf der Fahrt zurück zum Marienplatz gehen. Die Trennung vom so talentierten Festim Kryeziu war ein schwerer Rückschlag für den Boxtrainer. Und die Vorgeschichte auch. Ein damaliger Freund lässt sich von Conny Mittermeier in vielen Gesprächen das Einmaleins des Boxens und vor allem des Managements erklären, gründet mit diesem Knowhow einen eigenen Boxstall, holt sich Festim Kryeziu ins Team, aber nicht dessen Entdecker und Trainer. „Das hat wehgetan“, sagt Mittermeier, der aber auch das beherzigt, was er seinen Boxern vorgibt: „Man muss immer wieder aufstehen.“

Auch die Zusammenarbeit mit dem Olympiadritten und Vizeweltmeister Vitali Tajbert endete anders als geplant. Zusammen gehen sie zum Universum-Boxstall, dort ist dann aber nicht mehr Conny Mittermeier für ihn zuständig. Und nach fünf Jahren wird der Vertrag mit dem Coach nicht verlängert, das sichere Einkommen ist weg. Als selbstständiger Trainer muss er schauen, wo er bleibt. In dieser Zeit gehören die Fußballer Axel Kruse und Fredi Bobic, die boxerisch fit gemacht werden wollen, zu seinen Kunden. Auch Dieter Spöri bucht Mittermeier als Personal-Trainer. „Guter Typ“, sagt er über den SPD-Politiker.

Das mit Huck hat nicht geklappt, dafür das mit Brähmer

Und irgendwann ist Conny Mittermeier auch wieder ganz oben im deutschen Boxen angekommen. Er trainiert den Cruisergewicht-Champion Marco Huck für den WM-Kampf gegen den Briten Ola Afolabi im Februar dieses Jahres. Den Sieg von Huck erlebt er aber nicht in dessen Ringecke. „Es hat nicht gepasst“, sagt Mittermeier, der die Zusammenarbeit mit dem eigenwilligen Boxer von sich aus kurz vor dem Kampf beendet. „Deshalb kann ich da auch nicht von einem Tiefpunkt sprechen“, sagt Mittermeier. Seine Trainerphilosophie lässt sich nicht mit Huck und dessen Starstatus in Einklang bringen: „Ich möchte jemanden etwas beibringen, aber auch etwas zurückbekommen.“

Die Zacke ist zurück am Marienplatz. Noch auf einen Cappuccino ins Café Kaiserbau? Und dort lautet dann die letzte Frage: Wird man nicht irgendwann auch mal boxmüde? „Boxen ist mein Leben. Ich kann nichts anderes, ich will aber auch gar nichts anderes können“, sagt Conny Mittermeier.