Markus Schächter geht, Thomas Bellut kommt. Auf den ZDF-Intendanten warten große Herausforderungen und schwierige Aufgaben.

Mainz - Über dem Lerchenberg lacht die Sonne, über das ZDF die ganze Republik . . . das war einmal. Der Intendant Markus Schächter, vor zehn Jahren als Notlösung betrachtet und erst im fünften Durchgang gewählt, hat seinen Sender mit bewundernswerter Souveränität und großer Gelassenheit durch teilweise stürmische Jahre geführt. Anders als seinem mitunter gutsherrlich auftretenden Vorgänger Dieter Stolte ist Schächter das Amt auch nie zu Kopf gestiegen.

 

Entscheidender aber waren die Signale nach außen. Seine größten Herausforderungen waren der Schuldenabbau sowie die Schaffung von Zweitprogrammen, weil dem ZDF im Gegensatz zu den dritten Programmen der ARD keinerlei Experimentierplätze zur Verfügung standen. Mit den Digitalkanälen gibt es nun Ergänzungsplattformen, auf denen sich Nachwuchskräfte wie etwa Joko und Klaas mit ihrer Talk- und Nonsensshow „Neo Paradise“ tummeln dürfen. ZDF Neo und ZDF Kultur sprechen just das junge Publikum an, das dem Zweiten verloren geht.

Schächters Nachfolger, der bisherige Programmdirektor Thomas Bellut, übernimmt am 15. März also ein wohlbestelltes Haus. Er wird sich anderen Herausforderungen stellen und andere Prioritäten setzen müssen als Schächter. Dabei wird es vor allem ums Geld gehen. Da sich die Einnahmen des ZDF auch in der nächsten Gebührenperiode nicht erhöhen werden, muss der Sender noch mehr sparen als bisher.

Verschmelzung von Fernsehen und Internet nimmt Gestalt an

Gleichzeitig sieht sich der neue Intendant mit einer Entwicklung konfrontiert: Die Verschmelzung von Fernsehen und Internet nimmt zunehmend Gestalt an. Wer mit einem sogenannten Smart-TV-Gerät sowohl das herkömmliche Fernsehen wie auch die Angebote des Internets empfangen kann, könnte womöglich bald die Lust an den Sendungen verlieren, die der lineare Programmablauf von ARD und ZDF zu bieten hat. Zunächst wird das sicherlich vor allem für ein jüngeres Publikum gelten, das sich per Laptop schon jetzt sein eigenes „Fernsehen“ zusammenstellt. Es kommen also schwierige Aufgaben auf das ZDF zu, und das gilt nicht nur für Bellut, sondern auch für die neue Leitung der Programmdirektion. Viel spricht dafür, dass der künftige Intendant den derzeitigen Leiter von ZDF Neo, Norbert Himmler, als seinen Nachfolger vorschlagen wird. Der will dazu naturgemäß nicht Stellung nehmen, wäre aber fraglos geeignet.

Himmler, wie Bellut promovierter Politikwissenschaftler, hat sein gesamtes Berufsleben beim ZDF verbracht, auch dies eine Parallele zu Belluts Lebenslauf. Seit 2008 leitet er den Programmbereich Spielfilm, im Herbst 2009 kam Neo hinzu. Beim Digitalsender haben Himmler und seine Mitarbeiter bisher ausgezeichnete Arbeit geleistet, und das nicht nur, weil viele interessante Formate ins Leben gerufen worden sind. In Digitalhaushalten kommt Neo auf einen Marktanteil von 0,9 Prozent und hat damit mehr Zuschauer als n-tv, Das Vierte oder Sixx. Bei den 14- bis 49-Jährigen liegt der Sender vor allen dritten Programmen und oft auch vor Arte und 3Sat. Viele Zuschauer zählen Neo zu ihren Top 20 der Lieblingssender.

Der gebürtige Mainzer weiß folglich, wie man es schafft, mit überschaubaren Mitteln sehenswertes Fernsehen zu machen. Der Programmetat von Neo liegt bei 30 Millionen Euro. Diese Erfahrungen würden ihm als Programmdirektor nützlich sein, denn Belluts Nachfolger wird vor der eigentlich unlösbaren Aufgabe stehen, mit weniger Geld die gleiche Qualität herzustellen. Himmlers Ernennung wäre zudem ein Signal, wie es die ARD mit der Berufung der SWR-Fernsehfilmchefin Christine Strobl an die Degeto-Spitze gesetzt hat. Aus Sicht des Stammpublikums von ARD und ZDF, im Schnitt über sechzig, grenzen beide Personalien an Jugendwahn: Strobl ist vierzig, Himmler einundvierzig.