Der kleine Laden eines Migranten wird überfallen, die Polizei kommt und benimmt sich ruppig. Der Sechsteiler „Der Überfall“ im ZDF will kein biederer Normalokrimi sein.

Stuttgart - Ein kleines Lebensmittellädchen, geführt von iranischen Einwanderern, ist gerade überfallen worden. Vor Ort noch: Tote, Schwerverletzte, Traumatisierte. Aber auch schon: die Polizei. Und die benimmt sich im ambitionierten ZDF-Sechsteiler „Der Überfall“ anders als in biederen TV-Krimis. Ein bedrohlich auftretender Kriminalbeamter schickt gleich mal die uniformierten Kollegen aus dem Laden, schüchtert einen Zeugen ein, mit einem Auftreten, dessen rassistische Untertöne umso bedrohlicher sind, als klar ist, dass der Kerl sich unter Kontrolle hat, dass er auf die Silbe genau weiß, wie weit er gehen kann, ohne dass das Ungehörige an ihm konkret zu fassen wäre. Spätestens als er vor Ort nebenbei ein Beweismittel verschwinden lässt, weiß man, dass hier etwas gar nicht stimmt. Aber was?

 

Zunächst mal viele Rätsel

„Der Überfall“ ist keine Umsetzung der NSU-Morde in Fiktion. Aber Erkenntnisse und Fragen aus den NSU-Ermittlungen sind ins Drehbuch von Stefan Kolditz („Unsere Mütter. unser Väter“) und Katja Wenzel mit eingeflossen. Erzählt wird mit dem klaren Vorsatz der Verwirrung und Verunsicherung. Die Chronologie wird gebrochen, in Sprüngen folgen wir dem Leben von Figuren, deren Verbindungen, Motive und Persönlichkeiten zunächst vor allem Rätsel aufgeben.

Das ist im Prinzip spannend, mutig und herausfordernd, weckt aber schnell Misstrauen. Szene um Szene müssen die Figuren fast verkrampft darauf achten, im Moment zu bleiben und nichts darüber hinaus über sich zu verraten. Ruppigkeit, Sprunghaftigkeit und Düsternis addieren sich unter der Regie von Stephan Lacant („Fremde Tochter“) zur Karikatur eines modernen urbanen Thrillers.

Kein menschliches Interesse

Das ist nicht die Schuld der Darsteller, von Katja Riemann, Lorna Ishema, Joel Basman und Sebastian Zimmler etwa, die folgen treulich einem fast schon tyrannischen emotionalen Styling. Beschädigte, verrannte, in die Ecke getriebene Figuren können sehr interessant sein, aber schon in der ersten Folge verliert sich alles menschliche Interesse, weil die Räuber, die Polizisten, die Opfer als seelenlose Konstrukte offenbar werden. Und das ist für diesen insgesamt sechs Stunden dauernden Mehrteiler umso fataler, als er das Prinzip der Verrätselung nach zwei Dritteln aufgibt.

Nun kennt man die Zusammenhänge, nun sind die wichtigen Fragen geklärt, nun könnte einen nur noch Interesse an den Figuren selbst, nein, pures Mitempfinden bei der Stange halten. Aber mit bloßem Stilwillen auf Beinen kann man kein Mitempfinden haben.

ZDF, Freitag, 21.15 Uhr. Alle Folgen bereits in der Mediathek des Senders abrufbar.