Auch nach dem überraschenden Geständnis des ZDF von Manipulationen in der Rankingshow „Deutschlands Beste“ bleibt die wichtigste Frage offen: Wer ist verantwortlich? Rolf Hellgardt, der Produzent der Show, ist nicht zu sprechen.

Stuttgart - Rolf Hellgardt ist nicht zu sprechen. Dabei ist er als TV-Produzent der ZDF-Show „Deutschlands Beste“ die Schlüsselfigur in einer Affäre, die so hohe Wellen geschlagen hat, dass sich das ZDF am vergangenen Freitag an prominenter Stelle zu einem Geständnis genötigt sah: Im heute-journal räumte der Sender ein, was das NDR-Medienmagazin Zapp vorab schon im Ansatz aufgedeckt hatte. Dass nämlich die Reihenfolge der fünfzig prominentesten Männer und Frauen manipuliert worden sei.

 

Die neue Begründung ließ das ganze Ausmaß dieser Affäre erahnen. Plötzlich war nicht mehr die Rede von Zuschauer-Stimmen, die der Sender klammheimlich in den Papierkorb fallen gelassen habe, um den Einfluss nicht näher genannter „Fan-Gruppen“ zugunsten einer angeblich repräsentativeren Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zurückzudrängen. Nein, plötzlich hieß es, man habe nur das Ranking jener Prominenten gezielt manipuliert, die während der Show mit Moderator Johannes B. Kerner auf dem Sofa plauderten. Zum Beispiel das von ZDF-Anchorman Claus Kleber („heute journal“). Er kletterte auf wundersame Weise von Platz 39 auf Platz 28.

Das Geständnis verlieh der Affäre ein ungeahntes Gewicht. Da wurde nicht gemauschelt, da wurde gezielt betrogen, wusste man jetzt. Warum? Wieso? Weshalb? Diese Frage bleibt weiterhin offen. Das einzige Ziel sei es gewesen, den Eingeladenen ein gutes Gefühl zu geben, erklärte der ZDF-Sprecher Alexander Stock auf die Anfrage des „Tagesspiegels“.

SPD-Politiker hochgestuft, CDU-Politiker runter

Und er versuchte damit den Verdacht auszuräumen, den das Blatt geäußert hatte: Dass nämlich die Ab- oder Aufwertung politisch motiviert gewesen sein könnte. Während Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) hochgestuft wurden, wurden Unionspolitiker wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble herabgestuft.

Falsch, heißt es beim ZDF. Doch auch der Hinweis des Senders auf den Wohlfühlfaktor erscheint wenig plausibel: Die SPD-Politikerin Hannelore Kraft zum Beispiel, die in der Show mit den fünfzig besten Frauen zu Gast war, rückte gerade um einen Platz nach vorne, von Platz fünf auf Platz vier. Würde eine populäre Politikerin wie Kraft ihre Zusage zu der Show tatsächlich von diesem winzigen Upgrade abhängig machen? Und wie passt das zu der Beteuerung des Senders, sämtliche Platzierte hätten ebenso wenig von den Tricksereien gewusst wie der Moderator?

In der Fernsehwelt bestens vernetzt

Man würde diese Fragen gerne Rolf Hellgardt stellen. Er ist Geschäftsführer und kreativer Leiter der 2012 gegründeten Hamburger Produktionsfirma Riverside Entertainment – und als solcher verantwortlich für das Format. Die Firma hat für das ZDF schon die „Große Jubiläumsshow – 50 Jahre ZDF“ veranstaltet oder „Der Quiz-Champion 2014“ mit Johannes B. Kerner. Auf ihrer Homepage wirbt sie für maßgeschneiderte Formate mit dem gewissen bisschen „Extra“: „Für alle, die Unterhaltung nicht mit „platt“ übersetzen und die das Interessante dem Banalen vorziehen.“

Rolf Hellgardt war mal Programmchef von Kabel eins. Ein Mann, der in der Fernsehwelt bestens vernetzt ist – und nebenbei auch der Verlobte von Monica Lierhaus.

Einer, der Berufliches und Privates nicht klar trennt, wie man inzwischen weiß. Als die ehemalige Sportmoderatorin 2011 zwei Jahre nach ihrem folgenschweren Hirn-Aneurysma den Ehrenpreis bei der Verleihung der Goldenen Kamera der TV-Zeitschrift „Hörzu“ entgegennahm und ihm vor laufender Kamera einen Heiratsantrag machte, da schrieb der „Spiegel“, Hellgardt höchstselbst habe das Comeback eingefädelt.

Wer trägt die Verantwortung?

Auch den angeblich mit einer knappen halben Million Euro dotierten Job als Botschafterin der ARD-Fernsehlotterie soll er seiner Lebensgefährtin besorgt haben. Von Vetternwirtschaft war schon damals die Rede. Entzürnte Zuschauer kündigten ihr Abo. Ende 2013 beendete die ARD die Zusammenarbeit.

Und jetzt also „Deutschlands Beste“. Von den Tricksereien will Rolf Hellgardt nichts gewusst haben. Mit diesen Worten jedenfalls zitiert ihn der „Tagesspiegel“ am Sonntag. Am Montag ist er nicht mehr für Journalisten zu sprechen. Die Firma verweist auf die Pressestelle des ZDF. Doch die stellt sich hinter den Produzenten: „Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass die Produktionsfirma Kenntnis von den vorgenommen Veränderungen beim Ranking der Forsa-Umfrage hatte“, heißt es.

Doch wer trägt denn nun die Verantwortung? Diese Frage wird womöglich nie geklärt werden. Und fragt man Experten, liegt das in der Natur des Outsourcings.

Das Fakeprinzip als Arbeitsgrundlage

Der Stuttgarter Zeitung sagte ein Mitglied des ZDF-Verwaltungsrates, er habe nach der jüngsten Sitzung des Gremiums am Freitag den Eindruck gehabt, dass sowohl Intendant Thomas Bellut als auch Programmdirektor Norbert Himmler „erschrocken gewesen seien über das Ausmaß an Dummheit“, das die Affäre um die Ranking Show offenbare. Aber so sei das eben, wenn ein Sender die Unterhaltung in fremde Hände übergebe.

Auch für den Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen ist das Problem hausgemacht. „Das ist ein Fall, der – aller Aufregung zum Trotz – die Normalität offenbart. In den Prominenten-Shows ist das Fake- und Simulationsprinzip die Arbeitsgrundlage. Man schafft die Illusion eines Themas. Man erzeugt den Eindruck, es gäbe so etwas wie ein Konzept und Kohärenz. Dass man im Wettrennen um die Quote nun auch die Beteiligung des Publikums simuliert, passt einfach ins Bild.“