Dass es eine Erfolgsgeschichte werden würde, war nicht absehbar. Aber nach heftigen Geburtswehen kann die Ludwigsburger Akademie für Darstellende Kunst jetzt ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Und Winfried Kretschmann stößt auch mit an.

Stuttgart - Wenn Gott das Paradies nicht als Garten Eden entworfen hätte, sondern als Theaterschule, dann läge dieses Theaterschulparadies in Ludwigsburg. Hier ein Hallo, da ein Gruß, dort ein Kuss – wer mit Elisabeth Schweeger einen Gang durch die von ihr geleitete Akademie für Darstellende Kunst (ADK) macht, begegnet auf den Fluren des Hauses nur freundlichen Studenten und Mitarbeitern, die zum Arbeiten, Nachdenken und Organisieren in Büros und Konferenzräumen, Werkstätten und Theatersälen verschwinden. Draußen scheint die Sonne, drinnen strahlt die Chefin: Ihr Haus ähnelt einer WG, der es zum Funktionieren an nichts fehlt. Alles, was es zur Ausbildung des Nachwuchses braucht, ist vorhanden und in Schuss – manches Stadttheater würde sich die Finger lecken, wenn es über die prächtige Ausstattung der Ludwigsburger Theaterakademie verfügen könnte.

 

Schweeger, die seit 2014 die ADK leitet, ist weit davon entfernt, diesem Stadttheatervergleich zu widersprechen. Ihr ist bewusst, mit welchen Pfunden sie an ihrem Luxushaus wuchern kann: „Dass wir so gut ausgestattet sind, ist ein Zeichen der Wertschätzung. Wir werden von der Politik gewollt. Davor kann ich nur den Hut ziehen“, sagt die 64-jährige Rektorin, die bis in die Spitzen ihrer schwarzen Mähne mit Energie und Engagement aufgeladen ist – und Dankeschön sagen kann sie an diesem Donnerstag, wenn zur Feier des zehnjährigen Bestehens der etwas anderen, 2008 gegründeten Hochschule nicht nur das kleine Theaterfestival Furore stattfindet, sondern tatsächlich auch die große Politik vorbeischaut: Beim Festakt um 19.30 Uhr würdigt Ministerpräsident Kretschmann die Erfolgsgeschichte der Akademie, die ja wesentlich mit Landesmitteln finanziert wird.

Der doppelte Praxistest

Rund siebzig Studenten und Studentinnen werden in Ludwigsburg in drei Kernfächern unterrichtet: Schauspiel, Regie und Dramaturgie. Hinzu kommt in enger Kooperation mit der Stuttgarter Kunstakademie der von Martin Zehetgruber geleitete Studiengang Bühnen- und Kostümbild. Eine mindestens genauso enge Kooperation unterhält man mit der räumlich benachbarten Filmakademie, wo alle ADK-Studenten auch einen über mehrere Blöcke verteilten Filmschauspiellehrgang besuchen müssen: Viele Schauspieler machen ihre Karriere heute vor der Kamera, nicht auf der Bühne – nur im Glücksfall reüssieren sie in beiden Branchen. „Wir sind für die Praxis breit aufgestellt“, erklärt Schweeger und markiert damit auch einen wesentlichen Unterschied zur Schauspielschule in Stuttgart. Zwar erfahren die Studierenden auch dort vieles über Regie und Dramaturgie, aber als expliziten Studiengang gibt es diese Fächer dort nicht. Wer Regisseur oder Dramaturg werden will, muss nach Ludwigsburg gehen.

Und das ist dann der ganze Stolz der aus Wien stammenden, als Intendantin lange Jahre in Frankfurt arbeitenden Rektorin: Die Ludwigsburger Absolventen genießen mittlerweile bundesweit einen guten Ruf. Als sie vor vier Jahren gekommen sei, so Schweeger, habe es beim schauspielerischen Handwerk der Studenten noch gehapert: „Da habe ich nachgebessert. Heute sind ausnahmslos alle unsere Absolventen in den Theatern, in der freien und performativen Szene gefragt.“

Die Querelen von gestern

Die 28-jährige Anna-Elisabeth Frick gehört zu den begehrten Ludwigsburger Geschöpfen. 2013 hat sie ihr Regie-Studium aufgenommen und prompt auf sich aufmerksam gemacht: mit dem Dokumentarfilm „Sieben Schwestern“, einem Nebenprodukt ihrer interdisziplinären Ausbildung, und mit der Theaterproduktion „Die Unerhörte“, einem Spiel mit dem Kassandra-Mythos, das ihr den Körber-Preis für junge Regie einbrachte, den wichtigsten Nachwuchspreis in ihrem Fach. Seither stehen Frick die Türen der großen Theater offen, in Stuttgart, Freiburg, Mannheim. „Ich weiß, was ich auf der Bühne will. Ich habe eine Haltung, mit der ich etwas erzähle“, sagt die resolute Jungregisseurin, die an keiner anderen Schule als jener in Ludwigsburg hätte studieren wollen. Stellung beziehen, Verantwortung übernehmen, sich für die als richtig empfundene Ästhetik verkämpfen: Das habe sie jenseits des Regiehandwerks an der ADK gelernt.

Anna-Elisabeth Frick ist eine jener „spannenden Künstlerpersönlichkeiten“, die sich die Akademie-Rektorin Schweeger wünscht. Als Visitenkarten der Ludwigsburger Schule machen sie vergessen, dass ebendiese Schule einst nur unter schweren Wehen in die Welt gekommen ist. Als das Projekt über mehr als ein Jahrzehnt mählich vor sich hin reifte, stritten sich Ludwigsburg und Stuttgart erst heftig um den Standort, dann um den Chefposten – Querelen, die glücklicherweise beigelegt sind und nur noch die Frage aufwerfen, wie lange denn die jetzige Chefin noch amtieren will. Ist im nächsten Jahr, wenn sie fünfundsechzig wird, Schluss? „Die Theaterakademie ist noch ausbaufähig. Da liegt noch Potenzial drin“, sagt Schweeger – und man muss kein großer Kenner diplomatischer Formeln sein, um daraus den Wunsch nach einer Vertragsverlängerung zu lesen. Ein paar Jahre könnten noch drin sein – das „Akademiegesetz“ jedenfalls, unter das ihr Haus fällt, bietet Spielraum.