Teuro oder die wichtigste Entscheidung des Jahrhunderts? Vor 20 Jahren wurde der Euro als Buchgeld eingeführt – und noch heute hält die Währung die Europäische Union in Atem.

Frankfurt - Es wurde lange diskutiert, es wurde lange gezweifelt. Eine Währungsunion ohne politische Union sei unmöglich, monierten die Kritiker. Die gemeinsame Währung würde Europa nicht zusammenführen, sondern spalten, warnte der US-Ökonom Paul Krugman – und mit ihm viele andere Experten.

 

Auch in Deutschland war man durchaus skeptisch, vor allem, ob es gelingen würde, die damals elf recht unterschiedlichen Volkswirtschaften so weit auf eine Linie zu bringen, dass das bis dahin einmalige Experiment gelingen könne.

Euro als Recheneinheit

Aber dann ging doch alles gut, zumindest anfangs. Die Währungsunion trat mit dem 1. Januar 1999 in Kraft, der Euro galt fortan als Recheneinheit. „Die Einführung des Euro ist so glatt verlaufen, dass sich wohl nur noch wenige daran erinnern“, sagt rückblickend der erste Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing, im Interview.

Geprobt hatte man ja auch schon lange genug. Seit 1979 gab es eine Europäische Währungseinheit, Ecu genannt, die nach einem speziellen Warenkorb festgelegt worden war, der mithilfe von exakt spezifizierten Mengen der nationalen Währungen der Mitgliedstaaten definiert war.

Weg von nationalen Währungen

Die Gewichte der einzelnen Währungen in diesem Korb richteten sich nach verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Kriterien, etwa dem nationalen Anteil am Bruttosozialprodukt der Europäischen Gemeinschaft (EG), dem Anteil des jeweiligen Staates am EG-Binnenhandel und der Bedeutung der jeweiligen nationalen Währung als Reservewährung.

Vorausgegangen waren Anfang der siebziger Jahre heftige Kursschwankungen unter den europäischen Währungen, die auch die deutschen Unternehmen vor große Herausforderungen stellten. Immerhin ging auch damals schon ein Großteil der deutschen Exporte in die zuerst nur sechs Länder der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft (EWG).

Große Fluktuationen

Am 21. März 1972 wies dann der Europäische Rat die Zentralbanken der EWG-Mitgliedsländer an, ein gegenseitiges Interventionssystem mit festen Wechselkursen und einer Kursbandbreite von 2,25 Prozent nach oben und unten einzurichten.

Am 1. Mai 1972 gründeten die sechs EWG-Staaten zusammen mit den vier damaligen Beitrittskandidaten Vereinigtes Königreich, Irland, Dänemark und Norwegen den Europäischen Wechselkursverbund, Währungsschlange genannt. Anlässlich einer durch Inflation und Zahlungsbilanzschwäche bedingten Pfundkrise trat das Vereinigte Königreich am 23. Juni 1972 wieder aus, zusammen mit Irland.

Parallelen zu heute

Im Januar 1973 geriet der Kurs der italienischen Lira in Bedrängnis. Im Februar 1973 trat Italien schließlich ebenfalls aus dem Wechselkursverbund aus, ein Jahr später die Franzosen, die im Jahr darauf erst wieder ein-, 1976 dann wieder austraten. Es gab durchaus Parallelen zu den heutigen Problemen, die auch der Euro nicht vollständig lösen konnte.

Dennoch war der 1. Januar 1999 für die europäische Wirtschaft ein entscheidender Schritt nach vorn. Von Beginn an dabei waren Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Diese elf Mitgliedsländer hatten von dem Zeitpunkt an eine Buchwährung, in der es keine Wechselkursunterschiede mehr gab.

Urlaubssperre für Banker

Damals galt eine Urlaubssperre für Tausende Banker. Bei der technischen Umstellung nationaler Währungen wie deutscher Mark, französischem Franc und italienischer Lira auf die gemeinsame Währung Euro sollte möglichst nichts schiefgehen.

Gefeiert wurde natürlich auch – allerdings in deutlich kleinerem Maße als drei Jahre später, als auch die Bevölkerung den Euro als Bargeld in den Händen hielt. An den Börsen notierten die Kurse von Januar 1999 an in Euro – und auch die Banken rechneten intern nun in der Gemeinschaftswährung.

Nach wie vor umstritten

„Die Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist (...) für uns Deutsche wie auch für die Europäer die wichtigste und bedeutendste Entscheidung seit der Wiedervereinigung Deutschlands“, warb der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im April 1998 im Bundestag. „Ich glaube, dass sie – auf lange Sicht – eine der wichtigsten Entscheidungen des ganzen Jahrhunderts ist.“

Diese Entscheidung ist nach wie vor umstritten, auch weil nicht für alle Fälle die richtige politische Vorsorge getroffen wurde. So wurden im Vertrag von Maastricht Anfang 1992 zwar die Schritte zur Wirtschafts- und Währungsunion festgelegt, es wurden auch Grenzen aufgestellt – allerdings gab es keine Regelungen, die festlegten, was passiert, wenn ein Land gegen die Kriterien des Vertrags verstößt.

Wahlkampf gegen den Euro

Selbst Deutschland und Frankreich hielten sich nicht immer an die Vereinbarungen, weshalb die Diskussion um den Euro heute noch genauso aktuell ist wie vor 20 Jahren. Der Euro sollte Europa einen – und verursacht doch immer wieder Spannungen.

Das jüngste Beispiel ist Italien. Die regierende Koalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega machte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Gemeinschaftswährung. Selbst mit einem Austritt aus dem Euroraum kokettierten die Parteien – auch wenn ein solcher Schritt rechtlich so gut wie unmöglich ist.

EZB als Feuerwehrmann

Die Populisten in Italien griffen ein weit verbreitetes Gefühl auf: Seit der Euro-Schuldenkrise, die ab 2010 vor allem Griechenland hart traf, fühlen sich viele Südeuropäer von Brüssel gegängelt. Bisher hat vor allem die Europäische Zentralbank die Rolle des Feuerwehrmannes übernommen – und sich dafür auch noch heftige Kritik anhören müssen. Ex-Zentralbanker Issing ist dennoch überzeugt: „Den Euro wird es noch lange geben.“