Stuttgarts Oberbürgermeister hat den beiden führenden Köpfen der künftigen Regierungskoalition im Land ein Zehn-Punkte-Programm geschickt.

Stuttgart - Winfried Kretschmann und Nils Schmid haben gut zwei Wochen lang um ihren Koalitionsvertrag gerungen. Alles war überschattet vom Meinungsstreit zwischen Grünen und SPD über Stuttgart 21. Bei diesem Thema ist die Haltung des Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) eindeutig. Jetzt hat er die Initiative ergriffen und den beiden führenden Köpfen der künftigen Regierungskoalition im Land ein Zehn-Punkte-Programm zugeschickt, in welchem Stuttgarts Wünsche an die neue Regierung aufgelistet sind; außerdem regt der Rathauschef bei Kretschmann und Schmid "vertiefende Gespräche" an.

 

Der Katalog des Stadtoberhauptes beginnt mit der Bildungspolitik. Hier verweist er sogleich darauf, dass der von vielen geforderte Ausbau der Krippen und der Kitas auch in der Landeshauptstadt nicht ohne die finanzielle Förderung des Landes gelingen könne. Außerdem wendet er sich mit Rücksicht auf die Stadtfinanzen gegen die Abschaffung der Kitagebühren. Die Reformen im Schulsystem, so sein Monitum, sollten "maßvoll und schrittweise" angegangen werden. Im Blick auf den Wissenschafts- und Hochschulstandort Stuttgart weist der OB darauf hin, dass es "allein an der Uni Stuttgart einen Investitionsstau von 400 Millionen Euro gibt".

Beim Stichwort Stadtentwicklung bietet der OB seinen beiden Adressaten konkrete Verhandlungen über die umstrittene Neuordnung am Karlsplatz sowie über die Sanierung des Landtagsgebäudes und dessen Erweiterung an. Beim Stichwort Mobilität erinnert er daran, dass die Stadt die Investitionen zum Ausbau der Stadtbahn vorfinanzieren muss, weil die ihr eigentlich zustehenden Zuschüsse des Landes "über Jahre hinweg bereits vergeben sind". Auch im Straßenbau sowie bei der Modernisierung der Neckarschleusen betont der OB gegenüber den Koalitionären die finanziellen Verpflichtungen des Landes; ohne dessen Beitrag könne etwa die wünschenswerte Untertunnelung der Kulturmeile nicht realisiert werden.

Schuster warnt vor Steuersenkungen

Bei der Kulturpolitik bekennt sich der Oberbürgermeister zur "gemeinsamen Verantwortung von Stadt und Land im Sinne des Staatstheatervertrags". Und bei der Gesundheitspolitik mahnt er erneut die finanzielle Beteiligung des Landes an: "In Absprache mit dem Land haben wir die Neuordnung des Klinikums begonnen, sie kostet bis 2017 rund 800 Millionen Euro." "Eigentlich", so betont Wolfgang Schuster, "müssten diese Investitionen zu hundert Prozent vom Land getragen werden - faktisch liegt die Förderquote nur bei fünfzig bis sechzig Prozent, verbunden mit zum Teil längeren Wartezeiten". Die Aufstockung der Landesmittel sei dringlich.

Auch die Sozialpolitik zählt zu dem Zehn-Punkte-Programm des Oberbürgermeisters. Hier fordert er beispielsweise die finanzielle Förderung von Projekten für das Generationen übergreifende Wohnen, aber auch mehr Geld für Integrationskurse unter dem Titel "Sprache und Qualifizierung für Migranten". Überdies sollte auch das Land selbst mehr Fachkräfte mit Migrationshintergrund einstellen.

Arbeitsplätze-, Standort- und Finanzpolitik sind weitere Punkte in Schusters Schreiben an Kretschmann und Schmid. Dabei geht es ihm um die Stärkung des Finanzplatzes Stuttgart, um finanzielle Hilfen des Landes für das städtebauliche Mustervorhaben Neckarpark - und noch in einem weiteren Punkt ums Geld: Weil das Land gegenüber den Kommunen seinen Pflichten aus dem sogenannten Finanzausgleich nicht nachkomme, entgingen der Landeshauptstadt jährlich rund 27 Millionen Euro. Angesichts der akuten Finanzprobleme des Landes warnt Wolfgang Schuster ausdrücklich "vor Steuersenkungen und vor der Abschaffung der Gewerbesteuer". Trotz alledem setzt der Oberbürgermeister weiter "auf ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Stadt und dem Land".