Daimler muss bei der Zeitarbeit in Untertürkheim die Karten auf den Tisch legen, meint Wirtschaftsredakteurin Anne Guhlich.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Eines vorweg: Dass derzeit Hunderte Leiharbeiter bei Daimler in Sorge sind, hat vor allem damit zu tun, dass es ihnen bei dem Autobauer vergleichsweise gut geht. Wenn Daimler keine Arbeit mehr für die Zeitarbeiter in der Produktion in Untertürkheim hat, stehen diese nicht ohne Job auf der Straße, denn ihr Vertrag mit der Verleihfirma bleibt bestehen, und in der Regel findet diese dann einen anderen Einsatzort – oft jedoch zu schlechteren Bedingungen.

 

So zahlt Daimler seinen Zeitarbeitern in der Produktion etwa vom ersten Tag an den gleichen Lohn wie einem Stammbeschäftigten. Dadurch kommen sie bereits im ersten Jahr auf einen Monatslohn von über 3200 Euro. Laut Tarifvertrag müsste Daimler erst nach neun Monaten gleiches Geld für gleiche Arbeit zahlen. Außerdem stellt Daimler Leiharbeiter immer wieder fest ein und beteiligt sie auch am Erfolg des Unternehmens. So haben die ausgeliehenen Arbeitskräfte in Untertürkheim heuer immerhin zehn Prozent der Erfolgsprämie in Höhe von 4965 Euro bekommen – also fast 500 Euro. Trotzdem fühlen sie sich immer noch wie Arbeiter zweiter Klasse. Sie haben längst nicht den gleichen Anspruch etwa auf Urlaubstage oder tarifliche Sonderleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Und viele schleppen sich in die Arbeit, egal wie krank sie sind. Dies weil sie sich erhoffen, dass sie dadurch in der Gunst der Meister steigen und eines Tages auf der Liste der Übernahmekandidaten landen.

Bonus für Mitarbeiter ohne Fehltage

Die Daimler-Beschäftigten bekommen pro Jahr einen Gesundheitsbonus von bis zu 300 Euro, wenn sie keine Fehltage zu verbuchen haben. Die Zeitarbeiter im Motorenwerk aber befürchten, dass sie allenfalls eines bekommen: den Bescheid, dass Daimler sie künftig nicht mehr braucht.

Klar: Es liegt in der Natur der Leiharbeit, dass sie befristet ist. Manche Zeitarbeiter sind aber schon fünf Jahre oder länger bei Daimler beschäftigt. Dass diese nun um die Existenzgrundlage ihrer Familien fürchten, ist verständlich. Verständlich ist vor allem, dass es in erster Linie die Ungewissheit ist, die sie nun umtreibt: Wie viele Leiharbeiter müssen in welchen Bereichen wann gehen? Und vor allem: Warum eigentlich? Wer soll die Arbeit der Zeitarbeiter übernehmen in einem Werk, das aus allen Nähten platzt? Dass Daimler die Antworten auf diese Fragen seit Wochen schuldig bleibt, ist kein guter Stil.