In einem Pressebericht wird Sandra Richter unter anderem Führungsschwäche vorgeworfen. Nun hat die Leiterin des Instituts auf der Schillerhöhe erstmals öffentlich zu den Vorwürfen Stellung genommen.

Marbach - Ein Zeitungsartikel hat Unruhe im großen Marbacher Kulturhaus ausgelöst: Die Ulmer Südwestpresse hat über Vorgänge bei der Deutschen Schiller-Gesellschaft (DSG) und dem Deutschen Literaturarchiv (DLA) Marbach berichtet und damit Wellen der Empörung ausgelöst. In dem Bericht werden Behauptungen aus Kreisen des etwa 260-köpfigen Personals des DLA wiedergegeben, wonach es in der international renommierten Einrichtung Führungsprobleme gebe. So richtig aus der Deckung wagt sich aber offenbar keiner der Kritiker. Niemand bekennt sich mit Namen zu den Anschuldigungen – und der DLA-Direktorin Sandra Richter hatte noch keine Gelegenheit, darauf zu reagieren.

 

Schlechtes Betriebsklima?

Laut Südwestpresse habe sich etwa das Arbeitsklima auf der Schillerhöhe seit der Amtsübernahme Richters Anfang 2019 deutlich verschlechtert. Das sei bei einer Personalversammlung im März beklagt worden. Wie die Südwestpresse-Autorin Bettina Wieselmann berichtet, habe man dort mit Befremden aufgenommen, dass niemand von der DLA-Führung an dieser Versammlung teilgenommen habe. Marbach verlange intensive Präsenz, die eine Direktorin nicht leisten könne, die mit ihrer Familie ihren Hauptwohnsitz in Frankfurt habe und kaum da sei, werden „Marbach-Vertraute“ unter dem Schutz der Anonymität zitiert.

„Selbstverständlich bin ich regelmäßig in Marbach anwesend und habe dort auch eine Zweitwohnung“, sagt Sandra Richter. Es zähle aber zu ihren Aufgaben, die Bekanntheit des Deutschen Literaturarchivs zu stärken, sodass sie oft für das Haus unterwegs sei – national wie international. Das DLA werde von Bund und Land getragen, sie müsse häufig in der Bundeshauptstadt sein. „Erwähnt sei zudem, dass es uns nach der Corona-bedingten Schließung in kürzester Zeit gelungen ist, allen Mitarbeitern mobiles Arbeiten zu ermöglichen.“ Grundsätzlich sieht Sandra Richter ihr Wirken an verschiedenen Orten nicht als Führungsschwäche.

Aus ihrer Sicht stellt sich auch die konkrete Situation im Umfeld der monierten Versammlung anders dar: „Kurz vor der Corona-bedingten Schließung des DLA und in Zusammenhang mit den Pandemie-Maßnahmen gab es leider eine Fülle von kurzfristig anberaumten Terminen“, erklärt sie. Selbstverständlich sei ihr erstes Anliegen, für „eine offene und gute Betriebskultur“ zu sorgen. Kurz vor der Betriebsversammlung selbst habe eine außerordentliche Mitarbeiterversammlung stattgefunden, die sie selbst einberufen habe, um Fragen aller Kollegen zu beantworten und über anstehende Maßnahmen im Haus zu informieren.

Mit den Widerfahrnissen der Corona-Zeit beschäftigt sich der Artikel der Südwestpresse jedoch nicht. Der Fokus liegt stattdessen auf der Nachfolge des scheidenden DSG-Präsidenten Peter-André Alt, der stark kritisiert wird. Ihm wird nachlassender Eifer vorgehalten, sein Fehlen bei der Verabschiedung des Richter-Vorgängers Ulrich Raulff im Jahr 2018, „schlecht vorbereitete Kuratoriumssitzungen und absichtsvoll verkürzte Sitzungsprotokolle“ werden ebenso gerügt wie dessen Fehlen bei Ausstellungseröffnungen in Marbach.

Nachfolge für Peter-André Alt gesucht

Auf diese Vorwürfe mag Sandra Richter im Einzelnen nicht eingehen. Sie bescheinigt Alt acht erfolgreiche Jahre. „Wir bedauern das Ausscheiden unseres allseits hoch angesehenen Präsidenten sehr und sind ihm dankbar für seinen großen Einsatz für die Deutsche Schiller-Gesellschaft“, betont sie.

Auch in der Alt-Nachfolge hält sich die DLA-Direktorin bedeckt. Laut Südwestpresse gebe es im 20-köpfigen Kuratorium der DSG eine große Zustimmung für den Sparkassen-Direktor Kai Uwe Peter als gut vernetztem, engagiertem Vorstandsmitglied des Freundeskreises und dem DLA zugewandtem Geisteswissenschaftler aus dem Ländle. Zur möglichen Kandidatur Peters wollte sich Sandra Richter – wie auch der angefragte Peter selbst – ebenso wenig äußern wie zu der im Artikel angesprochenen Personalie der Verwaltungsleiterin Dagmar Janson, von der sich das Haus „auf rüde Art“ getrennt habe.

Der Behauptung, ihr „inzwischen alleiniger, seit vielen Jahren nicht unumstrittener Vize Roland Kamzelak“ fülle das von Richter verursachte Vakuum im Innern des Literaturarchivs aus, tritt sie insofern entgegen, als dass sie in ihrer Stellungnahme die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Roland Kamzelak“ betont, „der dem Haus seit vielen Jahren verpflichtet ist und keine Mühe scheut, es auch für die nächsten Entwicklungsschritte vorzubereiten“.

Umstrittene Personalien

Und auch der Museumsleiterin Heike Gfrereis, laut Artikel der Südwestpresse „zu Raulffs Zeiten vom DSG-Vorstand einstimmig wegen Fehlverhaltens für zweieinhalb Jahre beurlaubt worden“ und bei einer Rückkehr „ohne Aussicht auf Führungsverantwortung“, bescheinigt Sandra Richter „eine einzigartige Persönlichkeit im Bereich Literaturausstellungen, und so sind wir froh, dass sie frühzeitig von ihrem Ausflug ins Fontanejahr nach Marbach zurückgekehrt ist, um auch im Bereich der Ausstellungen mehr Digitalität zu denken und umzusetzen“.

Immerhin rechnen die anonymen Kritiker es der DLA-Direktorin Sandra Richter an, bei Bund und Land vier Millionen Euro extra für die Digitalisierung und die räumliche Erweiterung der weltweit anerkannten Einrichtung eingeholt zu haben – freilich nicht ohne die Begründung des Stuttgarter Wissenschaftsministeriums anzuführen, es fehle noch an einer deutlichen Konkretisierung, weshalb sich Baden-Württemberg nur mit 1,5 Millionen Euro, nicht aber wie der Bund mit 2,5 Millionen Euro beteilige.

Sandra Richter sieht sich dagegen auf einem guten Weg: „Bund und Land unterstützen unsere Vorhaben in herausragender Weise, und ich bin sehr dankbar dafür.“ Zu den nächsten Schritten gehörten eine Organisationsanalyse und das Vorantreiben der Bauplanung. „Schon deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass sich auch das Land entsprechend an den Maßnahmen beteiligen wird, die es dem DLA erlauben, auch im digitalen Bereich zu einer Spitzeneinrichtung zu werden und sich räumlich weiterzuentwickeln.“

Wahlen in Zeiten von Corona

Das Hauptaugenmerk der Direktorin gilt aktuell hauptsächlich der Wahl des neuen Präsidenten für die Schiller-Gesellschaft als solcher, denn in Corona-Zeiten bedarf es einer mindestens 50-prozentigen Teilnahme, damit eine solche Wahl ohne eine ordentliche Mitgliederversammlung überhaupt gültig ist. Da die Corona-Pandemie eine solche Versammlung verhindert, müssten die rund 2000  Mitglieder per Brief abstimmen.

„Jede Stimme zählt“, appelliert Sandra Richter und bittet um Unterstützung. Lediglich das Kuratorium und der Vorstand der Deutschen Schiller-Gesellschaft könnten Corona-bedingt am 19. Juni tagen. Wichtig sei, dass die Wahlberechtigten ihr Votum bis zum 16. Juni einschickten. Vorschläge für einen Kandidaten dürften die Mitglieder der Deutschen Schiller-Gesellschaft noch bis zum 26.  Mai unterbreiten.