Der SPD-Spitzenkandidat prangert beim Zeitungskongress in der Carl-Benz-Arena in Stuttgart die Unkultur der Gehässigkeit im Internet an.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Ein Wahlkämpfer hat es schwer mit einer Branche, die ihr Geld mit Neuigkeiten verdient. Was Martin Schulz zu sagen hat, ist dieser Tage ohnehin auf sämtlichen Kanälen zu sehen und zu lesen. So dauert es eine gefühlte halbe Stunde, bis er für seine Rede vor dem Zeitungskongress erstmals mehr als nur höflichen Beifall erntet. Der SPD-Spitzenkandidat hatte sich da gerade über einen US-Präsidenten echauffiert, „der mit 140 Zeichen bewusst die Stabilität der Welt aufs Spiel setzt“, und andere „Brandstifter“, die selbst Fake-News fabrizierten, aber unablässig gegen die „Lügenpresse“ zündelten. Solche Leute legten „die Axt an die Demokratie“. Die Freiheit der Presse sei „in unserem Lande ein nicht verhandelbares Prinzip“. Ein unabhängiger Journalismus gehöre zum „System der Checks and Balances“, von Ausgleich und Kontrolle in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Zeitungen seien in diesem Sinne systemrelevant.

 

Wenn der US-Präsident „im Stile der größten Niedertracht“ spricht

Als Schulz über die Unkultur von Hass, Hetze und Gehässigkeit im Netz spricht, ist ihm die persönliche Betroffenheit anzumerken. Seinen Worten folgen schweigsame Sekunden, er scheint auf offener Bühne darüber nachzudenken, welche Schmähungen er selbst erlebt hat. Da sei „etwas aus dem Ruder gelaufen“. Er zeigt sich enttäuscht darüber, dass der Präsident einer der freiheitlichsten Nationen sich „im Stil der größten Niedertracht“ zu äußern und kritische Medien zu schmähen pflege. Von letzteren erwarte er „einen entscheidenden Beitrag dazu, dass man wieder anständig miteinander umgeht“.

Was den Beitrag der Politik zum Überleben einer unabhängigen Presse angeht, so betont der SPD-Wahlkämpfer, dass er die Position der EU-Kommission zu einem Verlegerrecht unterstütze, das die Verlage in der Konkurrenz mit Google & Co. stärken soll. Dafür gibt es wieder Applaus. „Es hätte ruhig ein bisschen mehr sein dürfen“, meint Schulz. Er findet, die pressefreundliche Politik seiner Partei werde nicht angemessen gewürdigt. So sei eine für die Verlage erträgliche Regelung beim Mindestlohn nicht an der SPD gescheitert. Viele bäten um seine Hilfe, er komme solchen Bitten auch gerne nach, sagt er den Verlegern, sei aber hinterher oft „erstaunt, wie toll Sie das finden und wie intelligent Sie es in Ihren Blätter verschweigen“.