Das Stadtmuseum möchte Stuttgarts Geschichte von 1950 bis heute mit den Bürgern erarbeiten. Im Rahmen dieses Projekts spricht die StZ mit Stuttgartern über ihre Jugendzeit. Volleyballspielerin Renate Riek-Bauer jettete in den 80ern um die Welt und erlebte die Wende in Japan.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Das Stadtmuseum möchte Stuttgarts Geschichte von 1950 bis heute mit den Bürgern erarbeiten – jeder kann mitwirken. Im Rahmen dieses Projekts spricht die StZ mit sechs namhaften Stuttgartern über ihre Jugendzeit. Volleyballspielerin Renate Riek-Bauer berichtet über die Achtziger.

 

Sie war bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles dabei, sie holte drei Mal die deutsche Meisterschaft, sie wurde Dritte bei der EM: Renate Riek-Bauer hat als Volleyballerin sehr viel erreicht – und sie war ständig in der Welt unterwegs. Im Gespräch erzählt sie, wie sie Stuttgart in den 1980er Jahren erlebt hat.

Frau Riek-Bauer, in den 1980er Jahren gab es vor allem drei Jugendgruppierungen: die Punker, die Popper und die Friedensbewegten, die im braunen Parka herumliefen. Zu welcher Gruppe gehörten Sie?
Zu keiner. Popper ging gar nicht, Punkmusik wie zum Beispiel London Calling von The Clash habe ich aber tatsächlich gehört. Am nächsten stand ich der Friedensbewegung, auch ohne Parka. Die große Menschenkette 1983 von Stuttgart nach Ulm, an der auch meine Schwester und meine Mutter teilgenommen haben, hat mich sehr beeindruckt. Ich konnte leider nicht dabei sein, da ich damals in München lebte.
Warum?
Renate Riek-Bauer heute Foto: Lg/Rudel
Die Grünen haben sich 1980 gegründet. Ich habe deren Mitgründerin Petra Kelly sehr bewundert für Ihre Art, sich in der Politik zu engagieren. Bei einer zufälligen Begegnung am Münchner Flughafen wirkte sie aber schon sehr gezeichnet.
Hatten Sie Angst vor einem neuen großen Krieg? Europa war ja geprägt durch den Eisernen Vorhang, durch die Konfrontation der beiden großen Mächte Nato und Warschauer Pakt.
Uns als Sportlerinnen war diese Teilung Europas dauernd präsent, weil wir sehr häufig in die Länder jenseits des Eisernen Vorhangs gereist sind. Meinen Reisepass mit all den Visaeinträgen habe ich heute noch. Der Blockgedanke war allgegenwärtig. Wenn man die Grenze überschritten hat, war man in jedweder Beziehung in einer anderen Welt. Das Stadtbild war anders, das Essen, die Kleidung, die Stimmung, die Luft. Es war eine andere Welt, auch sportlich. Im Ostblock war der Leistungssport völlig anders organisiert.
Hatten Sie Kontakt zu den Sportlerinnen des Ostblocks?
Schon, auch wenn es die Sprachbarriere gab. Nur zu einer Mannschaft hatten wir gar keinen Kontakt…
…das war die DDR…
Es war den Spielerinnen der DDR verboten, mit uns zu sprechen. Die Mannschaft war immer gut abgeschottet, man wäre gar nicht an sie rangekommen. Ich kann mich eigentlich nur an eine einzige Situation erinnern, in der sich eine kleine Gruppe der Sportdelegation über das Verbot hinweggesetzt hat und wir abends bei einem Getränk zusammensaßen.
Wenn Sie aus diesen Ländern nach Stuttgart zurückgekommen sind, wie haben Sie auf diese Stadt geblickt?
Stuttgart war meine Basis. Hier war ich einfach „safe“. Hier bin ich geboren, hier habe ich meine Familie, hier war meine Mannschaft, hier habe ich studiert. Ich habe in Stuttgart sozusagen aus dem Vollen geschöpft. Von 1980 bis 1984 lebte ich in München, und wenn ich damals mit dem Zug nach Stuttgart kam, dachte ich bei der Ankunft am Hauptbahnhof manchmal schon: Oje, wie klein ist dieses Stuttgart doch.