Anja Krisch aus Stuttgart-Weilimdorf will nicht mehr Teil der Wegwerf-Gesellschaft sein. Deshalb lebt sie Zero Waste. Doch was bedeutet das konkret im Alltag? Und welche Abstriche muss die vierköpfige Familie machen?

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder/Weilimdorf - Perfekt macht sie es nicht, sagt Anja Krisch und meint ihr Ziel, so wenig Müll wie möglich wegzuwerfen. Trotzdem hat sich das Leben der vierköpfigen Familie aus Weilimdorf stark verändert seit Ende 2014. Im Interview erzählt Krisch, was Zero Waste bedeutet – auch für sie persönlich.

 

Frau Krisch, wie schafft man es, ganz auf Müll zu verzichten?

Ganz auf Müll zu verzichten ist sehr, sehr schwierig. Aber ich würde mal sagen: 80 Prozent von dem Müll, den man zu Hause hat, kann man vermeiden. Ganz viel Müll kommt durch den täglichen Einkauf rein, da habe ich damals angefangen, den Müll zu vermeiden.

Wie kommen Sie auf diese 80 Prozent?

Das ist nur ein Richtwert, den ich annehme, weil wir sehen, wie wenig noch in den Mülltonnen landet, nicht nur im Restmüll, sondern auch im Gelben Sack oder auch im Papiermüll. Ich habe es jedoch nie abgewogen. Aber man kann seinen Müll auf jeden Fall sehr drastisch reduzieren, ohne dass es schmerzt.

Wie viele Gelbe Säcke haben Sie denn jetzt im Monat?

Im Monat gar nichts mehr. Wir sammeln vielleicht einen Gelben Sack im Vierteljahr.

Anja Krisch Foto: privat

Was für Windeln hatten Ihre Kinder?

Wir hatten Stoffwindeln versucht, wir sind dann aber umgestiegen auf die ökologischen Wegwerfwindeln. Die sind immerhin nicht aus Kunststoff.

Was haben Sie heute schon in den Müll geworfen?

Da muss ich mal überlegen. Die Kinder haben von der Nachbarin ein Päckchen Gummibärchen geschenkt bekommen, das haben wir in den Müll geschmissen, von unserer jüngsten Tochter Windeln, und ansonsten? Ah, einen Briefumschlag.

Einen Briefumschlag? Ich bin vor ein paar Monaten unter die Plastikvermeider gegangen. Ein Papierumschlag wäre bei mir keine Sünde. Wie unterscheidet sich Plastikverzicht von Zero Waste?

Bei Plastikverzicht richtet sich das Augenmerk auf den Kunststoffmüll bis hin zur Tupperware. Bei Zero Waste ist es so, dass es nicht nur kein Müll heißt, sondern auch keine Verschwendung. Zum Beispiel auch, was die Ressourcen angeht, Strom, Wasser, Gas, genauso wie die Kleidung, Haushaltsgegenstände, die man dann eben lieber Secondhand eingekauft, um eine Neuproduktion zu vermeiden.

Würden Sie sagen, dass Sie dem Ideal Zero Waste nahe sind?

Nein, die Fahnenstange hängt ja sehr, sehr hoch. Wenn man in einer Wegwerfgesellschaft lebt, ist es wirklich sehr utopisch, keinen Müll zu produzieren, wenn man nicht komplett aus dem sozialen Kontext rausfallen möchte. Wie gesagt, die Nachbarn schenken den Kindern mal Gummibärchen, daher wandert auch über diese Wege immer wieder Müll rein, und das akzeptieren wir einfach als gegeben. Wir möchten unser ganzes Leben nicht um den Müll kreisen lassen und entspannt damit umgehen. Wenn man manche Dinge einmal umgestellt hat, fallen die einem aber gar nicht mehr auf, sie laufen von alleine.

Was war Ihre größte Baustelle?

Kann ich so gar nicht sagen. Wir sind die Dinge nacheinander angegangen. Wir haben zuerst die Küche und unser Einkaufsverhalten umgestellt, danach haben wir das Bad umgestellt, dann die Kleidung, und so war eben eines nach dem anderen dran.

Gibt es irgendetwas, was Ihnen fehlt?

Nein, eigentlich nicht, weil wir mit Zero Waste nicht so weit gehen, dass wir auf Sachen ganz arg verzichten würden. Wenn es jetzt tatsächlich ein Produkt gibt, das wir nicht verpackungsfrei bekommen können, dieses aber trotzdem wollen, dann kaufen wir es auch, allerdings sind das nur noch ganz, ganz wenige Dinge.

Muss dann was ins Sündenkässchen?

Nein. Das versuche ich auch in meinen Vorträgen zu vermitteln: Das Ganze muss Spaß machen. Es gibt in Deutschland diese Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität. Ich finde, da sollten wir von weg. Jedes eingesparte Müllteil und jedes Bisschen Ressource, das bei uns geschont wird, ist besser als gar nichts. Es soll nicht in Stress ausarten.

Wie kam es denn, dass Sie Ihren Lebensstil nicht nur privat bei sich zu Hause ausüben, sondern die Idee auch an die Öffentlichkeit tragen?

Es hat damit angefangen, dass mich eine Freundin interviewt hat für die Bund-Mitgliederzeitschrift. Das hat jemand von der Presse mitbekommen, und dieser Artikel ist wiederum an jemanden vom Fernsehen geraten. Und so hat das seine Kreise gezogen, dass ich angefragt wurde für Vorträge.

Was erwartet die Leute, die am 20. November zu Ihrem Vortrag in Stuttgart-Vaihingen kommen?

Ich werde alle Bereiche des Zero Waste behandeln. Allerdings lasse ich die Thematik Ressourcenschonung ein bisschen außen vor und gebe den Leuten sehr viel praktische Ideen mit an die Hand.

Verraten Sie schon jetzt drei Tipps?

Zum Beispiel kann man im Lebensmittelbereich gucken, wo es in Läden unverpackte Dinge gibt, die man lose erwerben kann, oder man kann mit Dosen an die Frischetheke gehen und sich Käse und Wurst einpacken lassen. Dann im Haushaltsbereich: wie man Haushaltsmittel und Putzmittel selbst herstellen kann mit einfachen Grundzutaten. Und zum Beispiel auch, was es für Möglichkeiten gibt, ohne Materielles anderen eine Freude zu machen. Also Geschenkideen.

Der Vortrag von Anja Krisch zu Zero Waste ist am Dienstag, 20. November, 18.30 Uhr, in der Stadtteilbücherei in Stuttgart-Vaihingen, Vaihinger Markt 6. Der Beginn ist um 18.30 Uhr. Der Eintritt kostet vier Euro