Weil zu oft und zu stark gemäht wird, sinkt die Artenvielfalt auf den heimischen Wiesen. Heiner Negele hält seit 25 Jahren Ziegen als schonende Landschaftspfleger. Am Sonntag hat er seine 50-köpfige Herde auf den Kleinheppacher Kopf getrieben.

Waiblingen/Korb - Null Bock? Von wegen! Die Ziegen von Heiner Negele schlagen ein so zügiges Tempo an, dass die menschlichen Begleiter des kleinen „Almauftriebs“ kaum hinterher kommen. Von der Geheimen Mühle in Beinstein geht es am Sonntagvormittag hinauf auf den Kleinheppacher Kopf. Zu meckern gibt es dabei für die 50 Burenziegen nur wenig. Autos sind kaum unterwegs und wenn, dann verwandeln sich die Fahrer oft schnell in ungläubig blickende Zuschauer.

 

Leckere Wegzehrung: Obstbäume und Gartenhecken

Am Wegesrand warten aber nicht nur Schaulustige, sondern zudem Leckerbissen in Form von Obstbäumen und Gartenhecken. Hütehund Max kommt ganz schön ins Hecheln, muss er doch seine braun-weißen Schützlinge immer wieder zurück in die Spur bringen. Nur zwei junge Damen lassen sich von ihm nicht beeindrucken: Die Geißen traben mehrere Meter hinter der Herde her und müssen von Katharina Negele persönlich angetrieben werden. „Das sind Schoppenziegen, die sind manchmal etwas eigensinniger und frecher“, erklärt die Tochter von Heiner Negele.

Einsatz für die Artenvielfalt auf den Wiesen

Seit etwa 25 Jahren hält der Aichwalder Ziegen – „wegen der Landschaftspflege“. Auf seinen eigenen Stückle hat der 57-Jährige erlebt, was für ein Artenreichtum an Blumen, Insekten und Vögeln entstehen kann, wenn die Wiese nicht mit Maschinen runtergemäht, sondern sanft abgegrast wird. Wie regelmäßig gemähte Wiesen aussehen, auch das lässt sich beim Herdenauftrieb rechts und links der Strecke beobachten. „Ein kurz geraspelter Rasen, so stellen sich die meisten Deutschen einen idealen Garten vor. Es wird zu oft und zu stark gemäht“, sagt Ronald Blümle.

Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbands (LEV) Rems-Murr-Kreis. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, die hiesige Kulturlandschaft zu erhalten – indem zum Beispiel Weideprojekte begleitet und unterstützt werden.

Ziegen mähen schonender und transportieren Samen

„Eine Wiese, auf der Schafe weiden, blüht nach wenigen Tagen wieder“, erläutert Blümle die Vorteile einer schonenden tierischen Beweidung. Unter intensiven Mäharbeiten indes leiden nicht nur Pflanzen und Insekten, „dabei werden oft auch Reptilien erwischt. Deswegen wird man auf solchen Flächen keine Eidechsen, Blindschleichen oder Kröten finden“. Bei einer Mahd sei zudem alles Grün auf einmal weg – während Ziegen oder Schafe eben hier und da mal etwas Blühendes stehen ließen.

Die Tiere fördern die Artenvielfalt noch auf andere Art und Weise: Indem sie Pflanzensamen und Insekten in ihrer Wolle oder im Verdauungstrakt transportieren. Und sie können auch sehr steile Flächen beweiden, auf denen man mit Maschinen nur mühsam vorankommt. Heiner Negele und seine Ziegen übernehmen also einen wichtigen Job – von dem es sich allerdings kaum leben lässt. „Es ist zwar traurig, aber ich bin eigentlich Mechaniker. Im Vollerwerb trägt sich das nicht“, sagt Negele, der noch eine zweite kleinere Herde mit Böcken hat.

Wie es früher so üblich war, treibt er seine Tiere von Ort zu Ort – vom Schurwald bis nach Rohrbronn oder Stetten. Mit im Gepäck hat er seine Überzeugung für diese Art der Landschaftspflege. „Das ist unsere Zukunft. Anders können die Insekten nicht überleben“, stimmt Ronald Blümle zu.