Wegen der Pandemie sitzt der Zirkus Bravissimo seit mehr als zwölf Monaten in Schönaich fest. So lange waren Walter und Giuliano Frank mit ihren Familien noch nie an einem Ort. Sie hoffen auf den Frühling und darauf, endlich wieder auftreten zu können.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Schönaich - Laila, die zottelige Kameldame liegt lang gestreckt im Schnee, mit dieser Wolle auf der Haut friert sie auch bei minus zwei Grad und Schneefall nicht. Weniger zufrieden schauen Walter und Giuliano Frank in die weiße Winterpracht. Seit einem Jahr sitzen die beiden mit ihren Familien in Schönaich fest, diese Zeitung berichtete im Frühjahr bereits über die unfreiwillige Pause. Dass die Franks mit ihrem Zirkus Bravissimo ein Jahr später noch immer auf der kleinen Wiese Richtung Steinenbronn leben, hätten sie nicht für möglich gehalten.

 

Im vergangenen März hatten die beiden Brüder Giuliano und Walter Frank bereits Kisten gepackt, die nächsten drei Gastspiele waren organisiert, sogar Werbung war bereits geklebt. Dann kam Corona. „Ich bin damals zur Stadt gegangen mit meinen Verträgen – wir wollten ja abreisen – und habe die gezeigt“, sagt Giuliano Frank. Sie durften bleiben. „Wir sind der Gemeinde sehr dankbar. Und auch den Schönaichern, die uns immer wieder unterstützen“, sagt Walter Frank. Auch der Landwirt, dem die Wiese gehört, zeigte sich großzügig, obwohl die Wiese bei steigenden Temperaturen matschig wird und eine asphaltierte Fläche besser wäre.

Noch nie so lange an einem Ort

Die Brüder sind Teil einer großen Zirkusfamilie: Fünf weitere Geschwister und der Vater sind ebenfalls echte Kinder der Manege, mehr als 200 Jahre reicht die Familiengeschichte zurück. Und auftreten durften sie immer, sogar in den Kriegsjahren im vorigen Jahrhundert, wie Oma und Opa stets erzählten. „Wir kennen das nicht anders“, sagt Jessica Frank.

Das stimmt allerdings nicht ganz. Denn ihre Schwägerin Sabrina kommt als „Neigschmeckte“ aus Leinfelden-Echterdingen und hat ihr Herz an Giuliano verschenkt. Schon damals gastierte die Familie sehr oft rund um den Schönbuch und die Fildern. Die Franks waren eigentlich schon immer am liebsten in Baden-Württemberg unterwegs. Die beiden Jugendlichen freundeten sich an. „Aus Freundschaft wurde irgendwann Liebe“, sagt die zweifache Mama und grinst. Auch für sie ist der Zirkus heute ihr Leben. „Ich war mit meinen 33 Jahren noch nie so lange an einem Ort“, sagt die Schwägerin Jessica Frank. Die Kinder gehen seitdem in die Schule am Ort – jetzt machen sie Homeschooling, wie alle anderen Kinder im Land auch. Sonst haben die Franks auch immer wieder einen Lehrer an Bord. „Ich will nicht, dass meine Tochter Lücken beim Lernen bekommt, das ist mir wichtig“, sagt Papa Giuliano.

Walter – der einzige in der Familie ohne italienischen Vornamen

Trotzdem fühle sich alles komisch an. Und man merkt den Brüdern und ihren Frauen an, dass an manchen Tagen der Himmel ganz schön dunkel ist. Die vier Erwachsenen bekommen im Moment Hartz IV. „Aber es gibt kein Hartz IV für Tiere“, sagt Walter Frank. Und neben den Versicherungen für die Fahrzeuge und die Zirkustiere ist das Futter für die mehr als 50 tierischen Vier- und Zweibeiner der größte Brocken bei den Ausgaben.

Walter ist übrigens der einzige der Frank-Geschwister ohne italienischen Vornahmen. „Meine Mutter wollte unbedingt einen Walter, nach ihrem Vater.“ Als er das erzählt, lacht der Handstandartist und Tiertrainer verschmitzt. So lacht er seine Sorgen weg, denn die hätten im Zirkus nichts verloren. „Wir wollen endlich wieder das machen, was wir lieben“, sagt Jessica Frank: 150 Kinder sehen und hören, die unter der Zirkuskuppel sitzen, lachen und staunen.