Seit 1946 pflegt der der Zitherclub Gerlingen das Musizieren auf dem vielseitigen Saiteninstrument. Legendär sind die Tanzfeste in der Stadthalle. Auch heute noch spielen die Musiker jedes Jahr mindestens ein großes Konzert – trotz fehlendem Nachwuchs.

Gerlingen - – Der Zitherclub Gerlingen hat Fans, auf die er sich verlassen kann. Zum Konzert anlässlich des 75-jährigen Jubiläums vor wenigen Monaten ist die Gerlinger Stadthalle mit rund hundert Gästen praktisch voll besetzt – unter den geltenden Corona-Vorschriften, mit vielen unbesetzten Stühlen, um den vorgeschriebenen Abstand zu wahren. Ein älteres Ehepaar aus Stuttgart-Weilimdorf ist stets dabei, wenn das 13-köpfige Ensemble – bestehend aus neun Zithern, Gitarre, Kontrabass, Hackbrett und Harfe – aufspielt: „Wir mögen einfach die alpenländische Musik – sie erinnert uns an unseren alljährlichen Urlaub in Oberstdorf.“ Monika Kuhardt-Barth, die Vorsitzende des Zitherclubs Gerlingen, freut sich, dass auch manch’ jüngerer Besucher unter den Gästen ist. „In jedem Konzert zeigen wir, dass wir mit der Zither praktisch alles spielen können: Stücke wie Polka oder Marsch, aber auch Musik aus Barock und Klassik – bis hin zu Zeitgenössischem.“

 

Ein zitherbegeisterter Bayer in Gerlingen

Dass das Zitherspiel in Gerlingen so eine lange Tradition hat, ist einem Mann aus Oberbayern zu verdanken: Franz Eglseder. Vor mehr als 75 Jahren, am 2. November 1946, gründete der aus Garching stammende Laienmusiker, der sich nach dem Krieg in Gerlingen niedergelassen hatte, den „Zitherclub ‚Heimatklang‘ Weil im Dorf-Gerlingen“. „Er war sehr engagiert und hat viele junge Menschen zum Zitherspielen gebracht“, berichtet Hartmut Gloß, ehemaliger musikalischer Leiter des Zitherclubs und mit 65 Mitgliedsjahren beinahe Dienstältester im Verein, über seinen Lehrer. Streng sei der Unterricht damals gewesen. Eglseder hätte es aber auch verstanden, Mädchen und Jungen mit Lob zum Üben zu motivieren. So spielt der 81-jährige Hartmut Gloß auch heute noch gerne sein Instrument oder setzt Noten: „Fast täglich“, sagt er lächelnd. Und er erklärt auch gleich, was die Zither ausmacht: „Sie ist günstiger und leiser als ein Klavier – das ist wichtig, wegen der Nachbarn.“ Praktisch sei, dass man alleine Melodie und Begleitung zupfe und eigentlich keine Mitspieler brauche. „Und schön klingt das Instrument natürlich auch.“

Mit Anzug und Krawatte zum Gruppentreffen

Auch wenn es alleine möglich ist: Gemeinsam macht das Musizieren Hartmut Gloß dann doch mehr Spaß. Gut erinnert er sich noch an das erste Treffen mit Gleichgesinnten im Naturfreundehaus im Krummbachtal in den 1950er Jahren: „Wir sind zwei Stunden zu Fuß gelaufen, mit der Zither unterm Arm – und das mit schickem schwarzen Anzug und Krawatte“, sagt er lachend. Bis spät in die Nacht gingen die Zusammenkünfte: „Wir haben zusammen musiziert, gesungen und getanzt.“ Auch seine Frau hat Hartmut Gloß über die Gruppe kennengelernt. Schon 1951 wagte sich der schnell wachsende Zitherclub dann an die Öffentlichkeit: Er organisierte das erste große Konzert in der damaligen Turn- und Festhalle in Gerlingen. Rund tausend Besucher waren in diesem Jahr und den folgenden die Regel. Neben dem interessanten Programm, das die 25 Frauen und Männer vom Zitherclub auf der Bühne boten, gab es einen weiteren Erfolgsfaktor: die Gastgruppen. „Ich glaube, diese Mischung hat den Leuten gefallen“, sagt Hartmut Gloß. Die schöne Tradition, bei großen Konzerten stets auch andere Musiker einzuladen, hat der Zitherclub bis heute beibehalten.

Große Partys in den Siebzigern

Mit dem Erfolg wurden auch die Veranstaltungen imposanter. So sind etwa die Partys legendär, die der Verein – mittlerweile auch im Namen modernisiert zum „Zitherclub Gerlingen“ – von 1976 an in der Stadthalle organisierte. „Es Musik, Tanz und Bewirtung. Und wir haben alles allein gestemmt“, erinnert sich Monika Kuhardt-Barth, die bei Hartmut Gloß, mittlerweile selbst Lehrer, in dieser Zeit das Zitherspielen erlernte. Bei den Gerlinger Großevents hieß es für die Mitglieder des Zitherclubs in der Pause und nach dem Konzert: „Sofort runter von der Bühne und in die Küche zum Brötchen-Schmieren“, sagt die selbstständige Finanzberaterin lachend. Auch musikalisch veränderte sich der Verein: Nach dem Tod von Gründer Eglseder 1979 übernahm Hartmut Gloß die musikalische Leitung: „Es war toll, dass wir nun auch klassische oder moderne Stücke spielen konnten“, sagt Monika Kuhardt-Barth.

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Regelmäßige Proben jede Woche gehören für die Gerlinger Zitherspieler dazu. Das gemeinsame Musizieren zahlt sich aus: Gleich vier Mal nahm der Verein an den Landesauswahlverfahren zum Deutschen Orchesterwettbewerb für Laienorchester teil. „In den Jahren 1999 und 2003 waren wir sogar Landessieger und konnten am Deutschen Orchesterwettbewerb teilnehmen“, freut sich Hartmut Gloß. „Es war schön zu sehen, dass wir mit der Liebe zu unserem Instrument nicht allein sind – und uns musikalisch mit anderen messen können“, sagt Monika Kuhardt-Barth. Auch das Konzert beim 1200 Jahr-Jubiläum von Gerlingen im Schloss Solitude bleibt ein Highlight in der Vereinsgeschichte.

Mitspieler sind seit mehreren Jahrzehnten dabei

Heute sind die meisten der 13 Mitspieler und Mitspielerinnen seit mindestens vier Jahrzehnten „Teil der Gerlinger ‚Zither-Familie‘“. Nachwuchs zu finden, sei schwierig, sagt die Vereinsvorsitzende. Darum: „Wir sind offen auch für andere Instrumente und freuen uns, dass wir zum Beispiel eine Gitarrenspielerin gewinnen konnten.“ Auf jeden Fall kommt der Klang der Zither auch bei jungen Leuten an: „Schön entspannend“ findet eine junge Gerlingerin, Anfang 20, die Musik, die der Zitherclub auf der Bühne spielt. Und sogar Goethe wusste schon: „Ein Bursche, der eine Zither und Stimme hat, schlägt sich überall durch.“