Verglichen mit Ländern wie der Schweiz oder den Niederlanden kommen Autofahrer in Deutschland relativ glimpflich davon, wenn sie zu schnell fahren – das könnte sich bald ändern. 

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Autofahrer müssen wohl in absehbarer Zeit tiefer in die Tasche greifen, wenn sie zu schnell gefahren sind. Die Forderung nach höheren Verwarnungs- oder Bußgeldern gibt es schon länger. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hat schon 2012 betont: „Der Staat entkräftet seine eigenen Vorschriften, wenn er sie nicht angemessen sanktioniert.“ Und Dieter Müller vom Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten in Bautzen sagte vor zwei Jahren: „Das deutsche Bußgeldniveau ist im europäischen Maßstab schon beinahe ungerecht niedrig und entfaltet daher in vielen Bereichen keine präventive Wirkung mehr.“

 

Nun scheint auch in die Politik Bewegung zu kommen. Schon im April hatte die Verkehrsministerkonferenz beschlossen, das „Sanktionsniveau für Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einem hohen Gefährdungspotenzial zu erhöhen, um die erforderliche abschreckende Wirkung zu erreichen“. Zumindest bei stark überhöhter Geschwindigkeit, also bei Rasern, könnte der Strafzettel teurer werden. Im Juni hat das Bundesverkehrsministerium eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt. Bis zur Frühjahrssitzung 2019 der Verkehrsminister, so haben diese im Oktober per Beschluss bekräftigt, soll der Bund Eckpunkte zur Reform vorlegen – diese sollen auf „einem breiten Konsens der Fachöffentlichkeit“ basieren. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) scheint dagegen skeptisch zu sein. Vor Kurzem sagte er im Bundestag: „Es bringt nichts, den Bußgeldkatalog ständig nachzujustieren, ohne die Kontrolldichte zu verbessern.“

Ein Blick nach Europa zeigt aber, dass in Deutschland vergleichsweise moderate Summen erhoben werden. Ein Beispiel: 35 Euro werden fällig, wenn man bei uns innerhalb von Ortschaften 20 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt und geblitzt wird – laut einer Statistik des ADAC liegt das Verwarnungsgeld nur in neun anderen Ländern Europas niedriger oder gleich hoch. In 26 Staaten fällt das Bußgeld höher aus, Spitzenreiter ist Norwegen mit 375 Euro. In Italien kostet das Knöllchen mindestens 170 Euro. Vor allem werden im Ausland viel schneller Punkte und Fahrverbote verteilt. In der Schweiz erhält ein Autofahrer sogar ein Jahr Haft, wenn er innerorts mehr als 50 km/h zu schnell war.

Auf unsere Blitzer-Berichterstattung in der vergangenen Woche haben wir zahlreiche Zuschriften erhalten – und eine Mehrheit der Leser hält die Überwachung für richtig und sinnvoll. Der Tenor: Wer angepasst fährt, dem kann es egal sein, wie viele Radarfallen es gibt. Auch bei einer Umfrage des Verkehrssicherheitsrats haben 95 Prozent die Meinung vertreten, dass Blitzer die Sicherheit erhöhen.

In Baden-Württemberg nimmt die Zahl der Unfälle zu – im Jahr 2000 waren es 224 000 Unfälle, 2017 bereits 326 000. Zum Glück sinkt die Zahl der Verletzten, aber vergangenes Jahr waren 458 Verkehrstote zu beklagen, 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei stehen in keinem anderen Bundesland mehr stationäre Messanlagen als hier (1266 von 4600 im Bundesgebiet). Natürlich steigt aber die Zahl der Autos. Untersuchungen, wie stark Blitzer nicht am einzelnen Standort, sondern insgesamt zur Verringerung von Unfällen beitragen, sind kaum zu finden.

Auch der Automobilclub ADAC kann das nicht bewerten – Stefan Braunschweig vom ADAC Württemberg stellt aber fest, dass die hohe Blitzerdichte im Südwesten Wirkung zeitige: „Beim Vergleich der Unfallstatistiken Bayerns, wo es nur wenige Blitzer gibt, und Baden-Württembergs sind durchaus Unterschiede zugunsten des Südwestens erkennbar. Die Ursachen dafür sind aber nicht monokausal zu erklären.“

Baden-Württemberg will Verkehrssicherheit erhöhen

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) will die Unfallzahlen jedenfalls wieder drücken. Zu den Maßnahmen gehört nicht nur die Überwachung mit Radarfallen – aber auch. Denn noch immer ereigne sich jeder fünfte Unfall aufgrund zu hoher Geschwindigkeit. An diesem Freitag wird deshalb in Stuttgart der erste „Enforcement-Trailer“ in Betrieb genommen – das ist ein Anhänger mit integrierter Radarfalle, der ohne großen Aufwand verstellt werden kann. Er soll auf den Autobahnen im Land eingesetzt werden. Die überwältigende Mehrheit der Blitzer wird im Südwesten aber von den Landkreisen und Städten betrieben.

Das ruft Kritik hervor, weil diese Verwaltungen gleichzeitig von den teils hohen Einnahmen profitieren. Der Landkreis Osterholz bei Bremen geht da mit gutem Beispiel voran und reinvestiert das Geld komplett in die Verkehrssicherheit.