Andere Länder buhlen um Touristen, den Niederlanden hingegen wird es zu viel. Nun sollen die Besucher so gelenkt werden, dass die Einwohner nicht darunter leiden müssen

Den Haag - Die Tourismuswerber der Niederlande haben ein Luxusproblem: ,,Unsere Attraktionen wie Grachten, Tulpenblüte, Windmühlen, Rembrandt oder van Gogh verkaufen sich wie von selbst“, heißt es seitens des Niederländischen Büros für Tourismus und Kongresse (NBTC). Das NBTC sollte Gäste ins Land locken – und hat den Job ziemlich gut gemacht. Im Jahr 2018 kamen 19 Millionen Touristen in die Niederlande.

 

Zum Vergleich: das kleine Land hat 17 Millionen Einwohner. Im laufenden Jahr wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die 20-Millionen-Marke geknackt. Allein über Ostern strömten bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichem Wetter mit über einer Million Besuchern schon 200 000 Touristen mehr zur Tulpenblüte und zu den Stränden als noch vor einem Jahr.

Nicht nur im Bus reisende Rentner zieht es in die Niederlande. Auch Instagram-affine Millenials lieben es, neben pittoresken Giebelhäuschen und inmitten verschwenderisch bunt blühenden Tulpenfelder für Selfies zu posieren. Vor allem die Menschen in und um Amsterdam leiden unter dem Problem des sogenannten Overtourism, also wenn zu viele Menschen zur selben Zeit kommen.

Im Januar 2019 hat das NBTC daher ein Strategiepapier namens „Perspektive 2030“ herausgebracht, dass nun dem Kabinett in Den Haag vorgelegt wurde. Die neue Aufgabe und Herausforderung für das NBTC sieht demnach so aus: ,,Es geht darum, die Touristenströme gut über das Land zu verteilen, sodass manche Attraktionen zu manchen Zeiten im Jahr von den Touristen nicht regelmäßig überschwemmt werden.‘‘

Keine Sorge: Die Grachten werden nicht dichtgemacht

„Niederlande stoppt Tourismuswerbung“ titelte daraufhin die Zeitung „De Telegraaf“. Macht Holland nun also die Grachten dicht? „Keineswegs“, stellt Alexandra Johnen, die Pressesprecherin der deutschen Dependance des NBTC mit Sitz in Köln, klar. „Wir stellen die Werbung nicht ein, es ändert sich nur der Fokus.“ Für das deutsche Büro der niederländischen Tourismuswerber bedeute das Strategiepapier keine wirkliche Veränderung. „Es wird gefordert, was wir und auch die Kollegen in Belgien seit drei Jahren bereits machen: gezielt Alternativprogramme für Touristen zu entwickeln“, erklärt Alexandra Johnen. Die Deutschen stellen mit rund 6 Millionen Besuchern im Jahr eine der größten Besuchergruppen in den Niederlanden. „Vor allem Leute aus den grenznahen Regionen fahren bis zu sechsmal im Jahr nach Holland“, sagt Alexandra Johnen. Daher sei es wichtig, auch dieses eingefleischten Fans auf neue Ideen zu bringen.

Alexandra Johnen und ihr Team haben da jede menge Einfälle: Statt im Sommer, wenn es ohnehin voll ist, könne man die niederländischen Seebäder auch sehr gut im Winter besuchen. Statt ins überfüllte Amsterdam bieten sich Städtereisen nach Rotterdam oder Utrecht an. Van Gogh-Fans können in die Heimat des Malers nach Zundert in der Provinz Brabant fahren.

,,Wir brauchen nicht mehr um Touristen zu werben und tun das auch nicht. Es geht darum, die Touristenströme zu managen und so zu kanalisieren, dass der Tourismus die Stadt nicht mehr lebenswert macht“, sagt Janine Fluyt vom PR-Büro Amsterdam & Partners. Wichtig sei nun vielmehr ,,unser Image weiter zu verbessern und die Irritationen bei der einheimischen Bevölkerung über den ständig steigenden Tourismus zu minimieren,‘‘ so die Amsterdamer PR-Strategen. ,,Es geht darum, das Freiheits-Image, das Amsterdam jetzt hat, mit einem Respekt der Touristen vor der Stadt und ihren Bewohnern zu kombinieren. Das ist die neue Herausforderung,‘‘ so Janine Fluyt.

Touristenströme kann man entweder zeitlich oder örtlich entzerren

Aber: Den Tourismus aktiv reduzieren, das wollen die Niederländer auch nicht. Schließlich spülen die vielen Gäste, die jährlich nach Amsterdam, Den Haag, zu den Stränden in Scheveningen, Noordwijk, Zeeland oder auf schönen niederländischen Watteninseln kommen, dem Land Milliardeneinnahmen in die Kasse.

Ronald Winkels von der Reiseorganisation Amstour aber geht der Strategiewechsel in Sachen Tourismus noch nicht weit genug – und teilweise in die falsche Richtung: ,,Die Touristen besser über das Land verteilen, das reicht nicht. Wir müssen gegenüber den Touristen, die sich schlecht benehmen, weniger tolerant sein.‘‘

Und von solchen Touristen, die sich schlecht benehmen, gebe es jede Menge. Sie verhielten sich nicht als Gäste in dem Land, das sie besuchen, sondern schon fast als Besatzer. ,,Wir müssen wohl bald auch ein Alkoholverbot einführen, das beinhaltet, dass man auf öffentlichen Plätzen und Straßen keinen Alkohol mehr trinken darf,‘‘ meint der linksliberale Amsterdamer Stadtrat Udo Kock, zuständig für das Ressort Wirtschaft und Tourismus in Amsterdam.