Umweltsünden und Wilderei bedrohen immer mehr Tierarten. Mit Zuchtprogrammen möchte die Wilhelma zu ihrem Überleben beitragen.

Stuttgart - Tierbabys sind im Zoo immer wieder gern gesehen. Vor allem im Frühjahr beleben viele von ihnen die Wilhelma. Doch einige Jungtiere sind weit mehr als nur Publikumsmagneten - sie sollen auch dem Erhalt bedrohter Arten dienen.

 

Wie stark ist die Wilhelma in europäischen Zuchtprogramme eingebunden?

Die Stuttgarter Einrichtung führt rund 100 der insgesamt etwa 550 Zuchttierarten. Damit gehöre sie zu den aktivsten Einrichtungen, macht ihr Direktor Thomas Kölpin deutlich. Das ist auch historisch gewachsen: Der frühere Wilhelma-Direktor Wilbert Neugebauer war ein Mitbegründer des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP).

Was ist das EEP und was will es?

Ziel dieses Programmes - und des etwas weniger stark durchorganisierten Europäischen Zuchtbuchs - ist eine genetisch gesunde Tierpopulation in Zoos. Im Fokus stehen dabei wichtige Vorzeigearten, aber auch an den Erhalt stark bedrohten Tierarten wird gedacht. „Wir haben eine Mitverantwortung für unsere Mitgeschöpfe“, sagt Kölpin.

Nicht alle Tiere lassen sich einfach auswildern

Was machen die Zoos?

Die Einrichtungen stimmen sich untereinander ab, um die Zucht bedrohter Arten zu optimieren. Hierzu werden Tiere einer EEP-Art untereinander ausgetauscht und gekreuzt. Sie sollen gut zusammenpassen, sich aber genetisch möglichst stark unterscheiden. Das dient einer vielfältigen und gesunden Zoo-Population, ohne Tiere aus der Natur zu entnehmen. „Wir sind quasi moderne Heiratsvermittler“, betont Kölpin.

Wie kann das zum Arterhalt beitragen?

Das Stichwort lautet Auswilderung. „Tiere auszuwildern ist etwas ganz Tolles, sehr spektakulär“, schwärmt der Wilhelma-Direktor. Bei Gänsegeiern, Seeadlern und Steinböcken ist das zum Beispiel bereits geglückt, aber nicht bei allen Tieren wäre das ohne weiteres möglich. Nach Einschätzung Kölpins müsste bei Menschenaffen und Elefanten vermutlich eine Generation dazwischen geschaltet werden, in der die Tiere schon im neuen Lebensraum wären, aber Menschen noch nach ihnen schauen.

Was sind die größten EEP-Erfolge?

„Die Arabische Oryxantilope war komplett ausgestorben“, berichtet Kölpin. Mittlerweile gebe es dank der Zuchtprogramme wieder eine stabile Population. Die Zoos hätten auch einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass es wieder gute Wisent-Bestände gebe, etwa in Polen.

Zucht von See- und Meeresfischen ist schwierig

Wo hapert es noch?

Nicht alle Arten lassen sich im Zoo züchten. Magere Erfolge habe man bislang zum Beispiel bei Meeres- und Seefischen, sagt der Direktor. Die Larven seien winzig und versteckten sich beim Plankton. Ähnlich sei das auch bei den Korallen. Eisbären zu züchten, sei im Vergleich dazu ein Kinderspiel.

Wer entscheidet beim EEP?

Es gibt einen Koordinator für jede Art. Die Wilhelma zeichnet für drei, zum Teil noch rechte neue EEPs verantwortlich: die Ägyptische Landschildkröte, die chinesische Mangshan Viper und den Großen Bilby, ein australisches Beuteltier. Die Tiere hält der Stuttgarter Zoo aktuell gar nicht selbst, beim Bilby ist es geplant. Entscheidend ist das Expertenwissen. Die Koordinatoren schlagen vor und beraten, Entscheidungen treffen dann die Gremien des europäischen Zoo- und Aquarienverband (EAZA). Zu den unumstößlichen Vorschriften gehört, dass für die Tiere kein Geld zwischen den Zoos fließen darf.

Nicht jeder Zoo gibt gern schöne Tiere ab

Gibt der Zoo damit seine Planungsfreiheit ein Stück weit auf?

Nur bedingt. Die großen Linien legt jede Einrichtung selbst fest. Sie entscheidet, welche Tierarten sie ins Programm nehmen und welche sie vielleicht nicht mehr halten möchte. Allerdings habe man das Konzept natürlich verinnerlicht und denke bei neuen Arten immer auch an EEP und Artenschutz, macht Kölpin deutlich. Die Entscheidung der EAZA beziehen sich vor allem auf die Koordination und Verwaltung der Zuchtarten sowie auf ethische Standards.

Gibt es da manchmal Konflikte?

Nicht jedem Zoo falle es leicht, ein schönes Tier zur Fortpflanzung an eine andere Einrichtung abzugeben, räumt Kölpin ein. Für die Wilhelma sei das aber kein Problem. So lebt der berühmteste Zögling des Zoos, Eisbär Wilbär, heute im schwedischen Orsa. Dort habe er viel Platz und lange Winter, zudem verstehe er sich prima mit seiner Ewa. Schmunzelnd sagt der Direktor: „Es gibt gute Chancen, dass seine Mutter Corinna nochmal Oma wird.“