Immer wieder gibt es Klagen über das Feld von Hans Bientzle. In großem Stil sägt er Holz und lagert Maschinen hinter dem Nikolaus-Cusanus-Haus in Stuttgart-Birkach. Die Stadt will nun eingreifen.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Birkach - Ich gebe zu, das sieht gerade nicht so schön aus“, sagt Hans Bientzle und blickt über seinen Acker auf dem Birkacher Feld. Hinter dem Nikolaus-Cusanus-Haus stehen zig hohe Säcke nebeneinander; alle bis oben gefüllt mit Holzscheiten. Außerdem ist da ein Bagger, ein Anhänger, zwei Bauwagen, ein feststehendes Zelt, eine mobile Toilette sowie ein Gerät, mit dem sich Holz spalten lässt. „In den nächsten Wochen räume ich einiges auf, ich bin fast fertig mit dem Holz“, sagt der 62-Jährige.

 

Hans Bientzle weiß, dass der Anblick seines Grundstücks einigen nicht gefällt. Vor allem den Bewohnern des Nikolaus-Cusanus-Hauses sowie denen, die in den Hochhäusern im Asemwald leben und bis zu seinem Acker schauen können. Die wollen, dass der Acker bepflanzt und nicht als Lager- und Arbeitsfläche genutzt werde. Aber der 62-Jährige sagt auch: „Ich lasse mir das nicht gefallen. Die Familie Bientzle ist schon so lange in Birkach, da waren alle, die jetzt motzen, noch gar nicht da. Plötzlich will jeder mitreden.“

Das Holz ist für seine Familie

Doch wozu braucht Hans Bientzle überhaupt das ganze Holz? Ist das ein Nebenerwerb für den gelernten Servicetechniker, der mehr als 40 Jahre bei einer Betonpumpenfirma gearbeitet hat? Nein, sagt er, die Holzscheite seien für ihn, seine Frau sowie andere Familienmitglieder. In dem Haus der Bientzles am Tiefen Weg in Birkach wird tatsächlich noch mit Holz geheizt – zusammen mit Solarzellen und einem Gasofen, wenn die Bientzles länger weg sind und das Haus nicht völlig auskühlen soll.

Dazu kommt: Die körperliche Arbeit draußen tut Hans Bientzle gut, sagt er. Seit er mit 58 Jahren aus gesundheitlichen Gründen aus dem Beruf ausschied, brauche er den Ausgleich umso dringender. Und gewissermaßen liegt die Liebe zur Arbeit mit Holz in der Familie; bereits sein Vater hatte rund 40 Jahre lang für das Stuttgarter Forstamt im Wald rund um Degerloch gearbeitet.

Nachbarn klagen über „Höllenlärm“

Vielen Birkachern ist dies herzlich egal. Sie sind der Meinung, dass das umfangreiche Lagern und Sägen von Holz mit großen Maschinen auch im weitesten Sinne keine landwirtschaftliche Nutzung sei. „Der Sägevorgang und die anderen Maschinen erzeugen einen Höllenlärm, und die Dieselschwaden ziehen über den Balkon in die Wohnungen“, klagt eine Bewohnerin des Nikolaus-Cusanus-Hauses.

Die Stadt Stuttgart pflichtet den Gegnern bei. Bereits vor mehr als drei Jahren hieß es, dass mit dem Pächter ein Gespräch geführt werde. Er solle sein Feld aufräumen – und notfalls gezwungen werden, die Maschinen anderswo zu lagern. Vor wenigen Tagen erhielt Bientzle einen Brief aus dem Baurechtsamt, dass er bis zum 30. September handeln müsse. „Mit den Grundstückseigentümern wurden Gespräche geführt, mit dem Ziel eine Lösung zu finden. Dies war nicht von Erfolg gekrönt“, erläutert eine Sprecherin der Stadt. Bientzle will sich gegen die Aufforderung des Baurechtsamts wehren. Er hat Fotos von anderen Grundstücken in Birkach gemacht, wo ebenfalls Holz gelagert wird oder wo gebaut wurde, obwohl es dort kein Baurecht gibt. Diese Fotos legt er einem Brief bei, der in diesen Tagen an das Baurechtsamt und den Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) gehen soll.

Er wurde schon mal vertrieben

Es ist nicht das erste Mal, dass Bientzle vertrieben wird. Bis vor rund zehn Jahren hatte er das Holz auf seiner Streuobstwiesen am Birkacher Osthang gelagert. „Dann beschwerte sich ein Nachbar, dass in den Holzbalken Tiere – also Eichhörnchen, kleine Füchse und Igel – wohnten und die Scheite anderswo hin müssten.“ Bientzle brachte das Holz auf seiner Wiese weiter bergab Richtung Mittlere Filderstraße. „Daraufhin meldete sich die Untere Naturschutzbehörde, dass da kein Holz gelagert werden dürfe.“ Er musste sich wieder einen neuen Ort suchen – und zog mit seinem Holz und den Gerätschaften hinter das Nikolaus-Cusanus-Haus um. Am liebsten würde er die Holzarbeiten so erledigen, dass sie niemanden stören, sagt er. Eine Halle bauen darf er aber nicht, weil auf dem Birkacher Feld ein Bebauungsverbot herrscht. Entsprechende Anträge von ihm wurden seitens der Stadt abgelehnt, weil er kein klassischer Landwirt ist. Damit es trotzdem so aufgeräumt wie möglich auf dem Feld aussehe, hat er das Zelt sowie zwei Bauwagen aufgestellt, erklärt er. In den Wagen ist eine kleine Mosterei untergebracht: Denn Hans Bientzle spaltet nicht nur Holz, aus den Birnen und Äpfeln seiner Streuobstwiesen stellt er auch Saft her. Außerdem bietet er anderen an, aus deren Obst ihren eigenen Saft zu pressen.

Auf dem Acker wächst auch Gemüse

Auf die Frage, was er sich von den Leuten wünsche, sagt er sofort: Toleranz. „Ich lagere hier ja nicht nur Holz und Geräte, sondern pflanze auch Gemüse an.“ Gemeinsam mit seiner Frau, Petra Bientzle (61), lässt er Bohnen, Kartoffeln, Rote Bete, Zwiebeln, Krautköpfe, Kürbisse und Zucchini gedeihen. Doch das Paar weiß, dass ihnen einige wenig wohlgesonnen sind. Im Dezember 2018 waren auf dem Grundstück Zerstörungswütige unterwegs. Sie rissen fast alles aus dem feststehenden Zelt, schlugen die Frontscheibe des Traktors ein sowie die Rücklichter der Anhänger, zerstörten den Kühler und versuchten, die Mosterei aufzubrechen. Es entstand ein Schaden von 2500 Euro. Doch die Polizei fand die Täter nicht. Zusätzlich finde er sehr oft Müll und Flaschen auf seinem Acker, sagt Bientzle.

Während sich die Stadt streng gibt, mahnt Bezirksvorsteherin Andrea Lindel zu mehr Gelassenheit: „Es gibt Sachen, die zwar nicht so schön sind, aber rechtlich nicht beanstandet werden können.“ Viele Spaziergänger würden vergessen, dass das Birkacher Feld eben kein Park sei.