Die Autobranche bereitet sich auf einen Wandel vor. Neue Wettbewerber wie Google oder Apple stehen in den Startlöchern. Bei einer Podiumsdiskussion von Stuttgarter Zeitung, L-Bank und dem Beratungsunternehmen Roland Berger haben sich Experten über die Mobilität der Zukunft ausgetauscht.

Stuttgart - Selten war in der Autobranche so viel in Bewegung wie heute. „Ohne Übertreibung kann man sagen, dass sich in der Branche die Ereignisse gerade überschlagen“, sagte Joachim Dorfs, der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, bei der Eröffnung einer Podiumsdiskussion zur Mobilität der Zukunft im Rahmen der gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Roland Berger und der L-Bank veranstalteten Reihe „Zukunft der Region“. Dorfs wies auf jüngste Schlagzeilen hin, wie etwa die Milliardeninvestition von Saudi-Arabien in den Fahrdienstvermittler Uber oder die Beteiligung von VW am Uber-Konkurrenten Gett. Elektrifizierung, digitale Vernetzung und die Ökonomie des Teilens änderten vieles, womöglich sogar alles in der Autoindustrie, sagte Dorfs und zitierte den Daimler-Chef Dieter Zetsche, der gar von der Neuerfindung des Automobils spricht. Die Frage sei, so Dorfs, ob diese Neuerfindung hier in der Region stattfinde oder ganz woanders.

 

Automobilindustrie vor einer Zeitenwende

Es sei gerade eine sehr spannende Zeit, sagte Daimler-Vorstand und Mercedes-Vertriebschef Ola Källenius, der mehr Chancen als Herausforderungen durch den Wandel sieht. Daimler werde den Weg zu Null Emissionen konsequent weitergehen und die Chancen, die sich aus dem Wandel des Mobilitätsbedarfs ergeben, nutzen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werde sich in der Branche mehr verändern als in den vergangenen fünfzig Jahren. Källenius widersprach Wilhelm Bauer, dem Leiter des Fraunhofer-Instituts IAO und des IAT an der Universität Stuttgart. Dieser forderte, die Unternehmen in der Region müssten sich hier stärker engagieren und ihre Leistungen in diesem Bereich stärker sichtbar machen. „Wir investieren hier erheblich und stellen Hundertschaften von Ingenieuren ein“, sagte Källenius. Als globales Unternehmen müsse man dort einstellen, wo man die Talente finde, also auch im Silicon Valley, in Indien oder in China, aber auch hier.

Einig war sich die Runde, dass das autonome Fahren mit einem elektronischen Chauffeur schneller auf den Markt kommen könnte als vielfach erwartet. Berger-Aufsichtsratschef Marcus Berret sagte voraus, dass man bereits in fünf bis sieben Jahren autonom fahrende Autos auch in der Stadt sehen werde, wenngleich bis dahin noch etliche Fragen zu klären seien. Berret sagte voraus, dass es in zwölf bis fünfzehn Jahren völlig normal sein werde, mit Hilfe einer App ein völlig autonom fahrendes Robotertaxi ohne Fahrer zu bestellen. Dies gelte dann womöglich nicht für Stuttgart, aber wohl für Singapur oder Korea, wo solche Verkehrsmittel, die den Individualverkehr zurückdrängen können, von den Behörden unterstützt würden. Die Berater haben vor kurzem eine Studie veröffentlicht, wonach solchen Robotertaxis die Zukunft gehöre.

Ubers Deutschland-Chef Christian Freese wollte sich indes nicht dazu äußern, ob der weltweit führende Fahrdienstvermittler auf längere Sicht auch das Ziel hat, solche Robotertaxis in großem Stil einzuführen. Uber forsche in diesem Bereich, sagte Freese, wolle sich aber nicht verzetteln und konzentriere sich zunächst einmal auf andere neue Angebote, wie die App Uber Pool, mit deren Hilfe man eine Mitfahrgelegenheit finden könne. Dies werde bereits in 33 Städten angeboten. Obwohl die Kalifornier in Deutschland einige Rückschläge hinnehmen mussten und von Gerichten in die Schranken gewiesen wurden, glaubt Freese weltweit an eine große Zukunft für neue Mobilitätsangebote.

Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Kaufprämie für Elektroautos kommt nach Einschätzung des Wissenschaftlers Bauer einige Jahre zu spät. Die Bundesregierung habe hier zu lange gezögert. Bauer hätte sich jedoch gewünscht, dass mehr staatliches Geld in den Ausbau der Lade-Infrastruktur gesteckt würde und erhielt dafür Zustimmung auf dem Podium. Auch nach Einschätzung von Berger-Aufsichtsratschef Berret sowie Daimler-Vorstand Källenius wird der Elektroantrieb in absehbarer Zeit mit dem Verbrennungsmotor konkurrieren können. Dann komme es jedoch darauf an, dass die Käufer genügend Ladestationen finden. Deutschland liege hier „Lichtjahre“ hinter anderen Ländern, kritisierte Berret.