Die Gemeinnützigen Werkstätten haben unverändert viele Aufträge vom Sindelfinger Mercedes-Benz-Werk.

Sindelfingen - Nicht nur die Stadt Sindelfingen hängt der Gewerbesteuer wegen am Tropf von Daimler. Auch viele Zulieferbetriebe sind abhängig vom Wohlergehen des Sindelfinger Mercedes-Benz-Werks. So wie die Behinderteneinrichtung GWW, die eng verbandelt ist mit dem weltweit größten Daimlerwerk. „Wir machen 60 Prozent unseres Umsatzes direkt oder indirekt mit Arbeiten für Daimler“, sagt Hartmut Schwemmle, der stellvertretende Geschäftsführer der Gemeinnützigen Werk- und Wohnstätten. Er rechnet mit 48 Millionen Euro Umsatz bis zum Ende dieses Jahres.

 

Das Hauptgeschäft der GWW ist seit sechs Jahren die Produktion von Heckscheiben für die S-Klasse. Und da gibt es laut Schwemmle bisher keinen Rückgang: Die Zahl der Aufträge aus der Automobilindustrie sei „momentan unverändert gut“, sagte er, räumt aber ein: „Für das kommende Jahr haben wir noch nicht so viele Aufträge, wie wir brauchen.“ Dann steht der Modellwechsel bei der S-Klasse an. Einige Aufträge habe man sich schon gesichert, aber: „Es gibt noch Restaufträge, bei denen wir uns noch einiges erhoffen.“

Vor zehn Jahren wurden in der Krise 60 Mitarbeiter entlassen

Die Krise der Automobilindustrie scheint bisher an der GWW vorbeizugehen. Ganz anders als vor zehn Jahren. Damals brach nicht nur im Mercedes-Benz-Werk der Gewinn ein. Auswirkungen hatte die große Krise auch auf sämtliche Zulieferer, die GWW eingeschlossen. Erstmals in ihrer Geschichte musste die Behinderteneinrichtung damals Mitarbeiter entlassen. Mitarbeiter mit Handicap sind zwar vor Kündigung geschützt, aber die Einrichtung beschäftigt zusätzlich nichtbehinderte Produktionshelfer, um die Aufträge zu stemmen. 60 von ihnen mussten damals gehen.

Vier Jahre später gab es wieder einen Einbruch beim Automobilbauer, dazu kam die Insolvenz eines anderen großen Kunden., eines Maschinenbauers. Zum ersten Mal kürzte die GWW damals die Löhne der behinderten Mitarbeiter. Ganz anders die Situation – trotz Krise – im Moment. Für Schwemmle liegt das vor allem an der S-Klasse, die „sich nach wie vor gut verkauft.“ Die GWW fertigt nicht nur Heckscheiben, sondern verpackt und kommissioniert beispielsweise auch Fußmatten für die verschiedensten Mercedes-Modelle, die dann zeitgenau ans Band geliefert werden. Aber auch für viele Zulieferer von Daimler sind die GWW-Mitarbeiter im Einsatz: für den Reifen- und Elektronikhersteller Continental beispielsweise, für die Firma Brose, die mechatronische Komponenten fertigt oder für Boysen, einen Hersteller von Abgastechnologie im Schwarzwald.

Neue Geschäftsfelder eröffnet

Gelernt hat die GWW aber durchaus auch aus den vergangenen Krisen. So habe man das Portfolio deutlich erweitert, sagt der stellvertretende Chef. „Zwar machen die Aufträge für den Automobilbereich noch immer 60 Prozent aus, aber das ist weniger als noch vor ein paar Jahren.“

Inzwischen habe man sich ganz neue Geschäftsfelder eröffnet, vor allem im Bereich Dienstleistungen, berichtet Hartmut Schwemmle. So bietet die GWW unter anderem einen Scan- und Digitalisierungsservice an. „Den nutzen viele Firmen, die ihre Archive auflösen und ihre Akten digital erfassen lassen“, sagt Schwemmle. Große Auftraggeber wie beispielsweise die Stadtwerke Sindelfingen nutzten diesen Service gerne. Auch die GWW-Tochter Femos hat in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten ausgebaut. Sie schafft Außenarbeitsplätze für Menschen im Handel und der Gastronomie.

Dem Wandel in der Automobilindustrie sieht Hartmut Schwemmle gelassen entgegen. „In den kommenden zehn Jahren werden Benziner, Diesel und Elektroautos parallel gebaut. Für alle Modelle werden wir arbeiten.“ Die Auftragslage für das kommende Jahrzehnt für die GWW sieht der Produktionschef deshalb – trotz Krise – eher rosig.