Einige Deutsche wollen nicht warten, bis sie dran sind mit dem Impfen. Ein Reiseveranstalter organisiert Impftrips nach Russland. Kritiker bezeichnen solche Angebote als unethisch.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Moskau - Das mediale Interesse ist groß, als die ersten Spritzen an deutsche Touristen verabreicht werden. Das russische Fernsehen filmt, die Probanden werden von Reportern umlagert. Er hoffe, dass er keine größeren Nebenwirkungen haben werde, gab ein 38-jähriger Berliner der Deutschen Presse-Agentur zu Protokoll. Der junge Mann ist nicht nur nach Moskau geflogen, um sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Er möchte sich auch die Stadt ansehen. Museen, Theater, Lokale und Geschäfte haben geöffnet.

 

Keine Vorerkrankungen und noch unter 60 Jahre alt – nach der in Deutschland geltenden Impfreihenfolge hätte der Impftourist noch lange auf seine Immunisierung warten müssen. Nun hat er die rettende Injektion bekommen. Organisiert wird die Spritztour vom norwegischen Reiseveranstalter World Visitor. Bisher war der Anbieter auf Busrundreisen spezialisiert. „Als bekannt wurde, dass in Russland auch Ausländer geimpft werden können, haben wir Impfreisen ins Programm genommen“, erklärt Albert Sigl. Der 57-jährige Münchner ist Mitinhaber von World Visitor.

Unternehmen bietet die Impftouren als Pauschalreisen an

Das Unternehmen bietet die Impftouren als Pauschalreisen an. „Wir kümmern uns um alles: Wir organisieren das Visum für Russland, Flug, Transfers, Hotel, Übersetzer, das ärztliche Beratungsgespräch sowie den Impftermin in einer Privatklinik.“ Wer will, kann auch ein Besichtigungsprogramm buchen. Seit dem 1. April dürfen Ausländer wieder auf dem Luftweg nach Russland einreisen, zwei Wochen später schickte World Visitor die erste Gruppe nach Moskau. Um die vollständige Immunisierung zu erhalten, müssen die Impftouristen drei Wochen später noch einmal nach Russland kommen. Die Kurzreisen dauern jeweils vier Tage und kosten insgesamt 1999 Euro. Die Touristen bekommen den Wirkstoff Sputnik V. Dieses Vakzin ist in Deutschland bisher noch nicht zugelassen. Daher ist fraglich, ob die Impfung anerkannt wird. „Unseren Kunden geht es nicht um irgendwelche Privilegien. Sie wollen geschützt sein“, sagt Albert Sigl.

Wer zurück kommt, muss zehn Tage in Quarantäne

Weil Russland zu den Risikogebieten zählt, muss man nach der Rückkehr für zehn Tage in Quarantäne. Wer das nicht zweimal auf sich nehmen möchte, kann auch drei Wochen in Russland bleiben. „Das Interesse ist riesig. Es gibt sogar schon Anfragen aus Brasilien“, sagt Sigl. World Visitor baut sein Angebot daher aus: „Wir entwickeln gerade eine Reise, bei der man zwischen den beiden Impfungen mit der Transsibirischen Eisenbahn fährt. Außerdem wird es bald Impfkreuzfahren auf der Ostsee geben.“ Angedacht seien Seereisen von Helsinki über Tallinn nach Sankt Petersburg.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezeichnet gegenüber dem WDR die Idee von Impfreisen als „unethisches Geschäftsmodell“. Dem widerspricht der Veranstalter: „Wir nehmen niemandem etwas weg. In Russland hat jeder ein Impfangebot bekommen“, sagt Sigl. Befürworter argumentieren außerdem, dass das Prinzip das deutsche Gesundheitssystem entlaste.