Nur einen Tag nach ihrer Tochter Carrie Fisher ist der Film- und Musicalstar Debbie Reynolds im Alter von 84 Jahren gestorben. Auch sie kannte alle Abseiten des Showgeschäfts.

Stuttgart - Dass der neunzehnjährigen Schauspielerin Debbie Reynolds bei den Proben zum wichtigsten Film ihrer jungen Karriere, zu „Singin’ in the Rain“, ständig die Füße bluteten, lag nicht etwa am Schuhwerk. Die Schuhe passten, aber Debbie Reynolds nicht, wie Gene Kelly, begnadeter Tänzer, Koregisseur und Star des Films, offen maulte. Reynolds konnte schlicht nicht tanzen. Sie brachte sich das, was sie dringend brauchte, während der Probenarbeiten bei, schuftete mehr als Kelly und Donald O’Connor, der andere Tanzstar, der sie vor der Kamera lächelnd unterhakte. War die Szene durch, ließ man sie wieder offen die Verachtung für ihre Mühen und die blutenden Füße spüren. Aber „Singin’ in the Rain“ wurde 1952 ein Welterfolg, und Reynolds’ Karriere machte einen Sprung.

 

Hinter dem sturmfesten Das-nette-Mädchen-von-nebenan-Lächeln war diese Frau hart wie ein Stahlbolzen. Reynolds, die am Mittwoch im Alter von 84 Jahren in Los Angeles an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben ist, einen Tag nach ihrer Tochter Carrie Fisher, kam aus ärmsten Verhältnissen. Streng religiös erzogen, fand sie in Pfadfinderlagern den weltlichste Spaß ihrer Pubertät. Die Sehnigkeit und Bubenhaftigkeit, die sie dort erwarb, machten sie an der Schule zur Flirtversagerin.

Schlimmer als Geburtswehen

Aber Hollywoods Verschleiß an jungen Frauen war damals enorm. Und so kam auch Reynolds, nachdem sie überraschenderweise einen Schönheitswettbewerb gewonnen hatte und dem Studioboss Jack Warner aufgefallen war, 1948 ohne viel Ausbildung zum Film. Man schliff ein wenig herum an ihr, 1950 kam sie in gleich drei Nebenrollen ins Kino, aber da war nichts dabei, was sie wirklich abgesichert hätte. Bis Louis B. Mayer, der Chef von MGM, entschied, Reynolds sei genau die Richtige für „Singin’ in the Rain“.

Bis dahin war Reynolds durch märchenhafte Erwählungsmomente aufgestiegen. Sie begriff, dass die nicht endlos aufeinander folgen würden, dass sie jetzt zupacken musste. Die Arbeit an „Singin’ in the Rain“, bekennt sie in der letzten ihrer Autobiografien, „Unsinkable“ aus dem Jahr 2013, sei neben den Wehen im Kindbett ihre härteste Erfahrung gewesen. Wobei der Film noch ein wenig schlimmer als die Geburten gewesen sei, er habe an mehr Stellen gleichzeitig weh getan.

Rettung an den Broadway

Das Blut in den Schuhen zahlte sich aus. Reynolds wurde ein großer Star der fünfziger und frühen sechziger Jahre und auch als Sängerin erfolgreich. Egal, wie nett und romantisch eine Reynolds-Figur angelegt war, man spürte die Energie der Frau dahinter, die Kraft, den Widerspruch zwischen Schein und Sein in Hollywood auszuhalten. Trotzdem kamen ihre Art Filme und Figuren in der zweiten Hälfte der Sechziger aus der Mode. Andere wurden ausrangiert, Reynolds rettete sich an den Broadway und auf Nachtklubbühnen.

Bewunderung und Frontbericht

Man kann sich leicht vorstellen, dass diese patente, dominante und zugleich ruinierte Mutter für die Tochter Carrie Fisher nicht nur positives Vorbild war. Das Schlingern der als Prinzessin Leia früh zu Ruhm und zu nicht abschüttelbarer Typfestlegung Gekommenen, ihr Kampf mit Drogen und psychischen Problemen sind immer wieder als Folge eines lebenslangen Mutter-Tochter-Konflikts gedeutet worden, erst recht, nachdem Fisher 1987 ihren Roman „Postcards from the Edge – Grüße aus Hollywood“ veröffentlicht hatte. Doch auch in diesem Buch, das Mike Nichols mit Meryl Streep und Shirley Maclaine verfilmt hat, spricht die seelisch zerrüttete Protagonistin ihre Mutter von Schuld frei.

Das Showbusiness als Tollhaus

Debbie Reynolds und die zur böse witzigen Autorin gereifte Tochter verband die gemeinsame Erfahrung des Showbusiness’ als Tollhaus. In ihren Erinnerungen „The Princess Diarist“ rund um „Star Wars“ schildert Fisher in scharfen kleinen Beobachtungen die heimliche, aber tiefe Verzweiflung von Debbie Reynolds, deren Ehemann Eddie Fisher sie für Elizabeth Taylor verlassen hatte und die immer wieder an die falschen Männer geriet. „Ich bin aufgewachsen mit dem Anblick meiner Mutter, wie sie Autogramme gibt, ihren Namen auf Bilder ihres lächelnden Selbst schreibt oder auf leere Zettel, die ihr von völlig Fremden, die sie liebten, entgegen gereckt wurden.“ Es klingt ein wenig bewundernd und ein wenig nach Frontbericht.

Nein, die beiden Frauen waren einander nicht spinnefeind. Wer ihre Bücher liest, ist sich nicht einmal sicher, ob Debbie Reynolds vor Kummer direkt nach ihrer Tochter gestorben ist. Es könnte gut sein, der alte Haudegen wollte die Jüngere beim Erforschen der uns allen unbekannten Dunkelheit schlicht nicht alleine lassen.