Nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident hatte Lothar Späth als Geschäftsführer und Aufsichtsrat der Jenoptik großen Anteil an Jenas Aufstieg zur „Boomtown“. Thüringens Ministerpräsident würdigt ihn als Aufbauhelfer.

Stuttgart - Fragt man in Sachsen-Anhalt, warum es in Thüringen nach der Wende wirtschaftlich bergauf ging und hier nicht, heißt es unisono: Die Thüringer hätten ja Lothar Späth gehabt. In der Tat hat Späth ein Jahr nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident eine zweite Karriere in Thüringen angefangen und dort kräftig gewirbelt. Er wurde Berater der Landesregierung bei der Übernahme der Jenaer Carl-Zeiss-Stiftung und kurz darauf im Juni 1991 Geschäftsführer der Jenoptik GmbH – es war der schwächere mit Altlasten belastete Teile einer traditionsreichen von der deutschen Teilung betroffenen Weltfirma, der stärkere zog nach Oberkochen.

 

Lothar Späth musste schmerzhafte Einschnitte vornehmen: fast 16 000 Jobs abbauen, das alte Stammwerk abreißen. Aber er hatte eine Vision, er schaffte es, einen Firmenkern um die Reinraumtechnik, Optik, Laser und Messtechnik in die Zukunft zu führen und profitabel zu machen. Als er 2003 aus der Geschäftsführung in den Aufsichtsrat der inzwischen börsennotierten Jenoptik wechselte, war ein Gewinn machender 10 000-Mitarbeiter-Konzern entstanden, durch Zukäufe – etwa den des Stuttgarter Reinraumherstellers Meissner und Wurst – gestärkt. In Jena arbeiten „nur“ 3500 Mitarbeiter für die Jenoptik, doch die Firma strahlt aus auf den Wissenschaftstandort. Jena gilt als „Boomtown“ im Osten, die Universität holte sich den Titel Exzellenzuniversität. „Ihr müsst auf Spitzentechnologie setzen!“ Dem Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) klingen Späths Worte noch im Ohr. „Mit seinen Ideen, Beziehungen und Strategien hat Späth die Stadtentwicklung Jenas entscheidend geprägt“, sagt Schröter.

Späth mischte überall mit, kümmerte sich sogar um Details

Ob es um Universitäts- oder Kulturförderung oder um Mittel für die Infrastruktur ging – Lothar Späth wusste Möglichkeiten, kannte die Wege. Auf altem Grund des Zeiss-Werkes entstand eine moderne Shoppingmall, am Rande des Firmengeländes ein neuer Unicampus. Späth mischte überall mit, hatte regelmäßig Treffen mit dem damaligen OB. „Er war sich nie zu schade, sich auch um Details zu kümmern“, sagt Schröter. In den Medien ist Späth als „kleiner König von Thüringen“ tituliert worden. Er erhielt die Verdienstmedaille des Landes und ist Ehrenbürger von Jena. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) würdigte den Verstorbenen in einer persönlichen Erklärung. „Seine Kreativität, sein Pragmatismus und sein Scharfsinn haben mich stets beeindruckt“, schreibt Ramelow. „Thüringen trauert um Lothar Späth.“ Späth habe mit der Jenoptik ein Industriekombinat der DDR in ein Unternehmen umgewandelt, „das sich erfolgreich auf dem Markt behaupten konnte“. Er „war ein kraftvoll zupackender Aufbauhelfer, ein Pionier der Wendezeit, der vielen Thüringerinnen und Thüringern eine Lebensperspektive gegeben hat“. Er habe die Basis gelegt, dass Jena heute „ein Leuchtturm Thüringens“ sei.

Mit Späth wurde Jena zum „Optical Valley“

Michael Mertin, Vorstandschef der Jenoptik AG, schreibt in seinem Nachruf, dass es Späths Initiative zu verdanken sei, dass Jenoptik nach der Wende überlebte, sich neben Zeiss und Schott behaupten und zum Global Player entwickeln konnte. Mit ihm sei Jena zum „Optical Valley“ geworden. Späth habe den Aufbau eines Investor-Zentrums betrieben, Institute etabliert und Start-up-Unternehmen gebündelt. Aber Späth habe auch Kunst ins Werk nach Jena geholt, eine eigene Ausstellungsreihe gegründet. In Thüringen, so scheint es, war der Schwabe Lothar Späth auch daheim.