Wie, wann und warum sie am besten funktionierte, die legendäre Wall of Sound des Musikproduzenten Phil Spector – dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen. Aber wenn man eine Spector-Aufnahme hört, weiß man, was gemeint ist. Wir haben 5 Beispiele herausgesucht.

Stuttgart - Einfach mal den Lautstärkeregler bis zum Anschlag ziehen – nein, genau so war die berühmte Wall of Sound des jetzt verstorbenen legendären Musikproduzenten Phil Spector nicht zu erzeugen. Spector ging es darum, einen dünnen Klang von Plattenaufnahmen zu vermeiden, das dünne In-der-Luft-hängen von einzelnen Instrumenten oder Stimmen. Er brachte in den frühen Sechzigern Instrumente aus dem Klassikrepertoire mit ins Spiel, setzte allerlei Tricks beim Abmischen ein, experimentierte mit der Platzierung von Mikrofonen – und wenn ihm das besonders gut gelang, konnte man die einzelnen Instrumente nicht einmal mehr voneinander unterscheiden.

 

Phil Spectors Techniken gingen in den allgemeinen Gebrauch über. Auch andere Bands, Arrangeure und Produzenten haben sie in Hits verwandelt, Brian Wilson von den Beach Boys etwa. Aber Klassiker von Phil Spector selbst demonstrieren sehr gut, was mit einer Wand aus Klang gemeint ist. Hier sind 5 Beispiele dafür:

„Be My Baby“ von den Ronettes

Die Ronettes waren ein Sängerinnen-Trio aus Spanisch Harlem und schon eine ganze Weile unter anderen Namen zusammen, als Phil Spector sie unter seine Fuchtel nahm und ihnen einen Sound verpasste, der die Straßenecken-Wurzeln des Doo-Wop weit hinter sich ließ. „Be my Baby“ wurde ihr langlebigster Hit.

„Sleigh Ride“ von den Ronettes

Etwas weniger bekannt, aber ein fast noch schöneres Beispiel dafür, wie Spectors Ideen und die Fähigkeiten der Ronettes ineinander griffen, ist „Sleigh Ride“ von 1963 – damals Teil einer Weihnachtsplatte.

„Da Doo Ron Ron“ von den Crystals

Dass Phil Spector nicht nur darum besonders gern mit Girl Groups arbeitete, weil die in den Sechzigern angesagt waren, sondern dass es um männliche Dominanz ging, darf man im Licht seines späteren Lebens durchaus vermuten. Die musikalischen Ergebnisse dessen, was vielleicht ein Pygmalion-Wahn war, sind aber vorzüglich. Die Crystals, eine der prägenden Bands der Girl-Group-Ära, haben Spector unter anderem ihre Variante von „Da Doo Ron Ron“ zu verdanken.

„River Deep, Mountain High“ von Ike & Tina Turner

Von Anfang an die volle Dröhnung hat Spector entgegen dem Klischee gar nicht immer eingesetzt. Er wusste den Kontrast zwischen einer ruhigeren, relativ lichten Passage und Strecken voller Wucht bestens zu nutzen. „River Deep, Mountain High“ von Ike & Tina Turner ist ein Musterbeispiel dafür. Auch Spector selbst bekannte, hiermit sei er bestens zufrieden.

„The Long and Winding Road“ von den Beatles

Als die Beatles 1969 ihr zwölftes und letztes gemeinsames Album „Let It Be“ aufnahmen, war Streit zwischen den Bandmitgliedern an der Tagesordnung. Eine gemeinsame Vision war nicht mehr zu finden, also wurde Phil Spector von John Lennon und George Harrison hinzugezogen. Spector drückte dem Album seinen Stempel auf, Lennon und Harrison waren mit dem Sound von beispielsweise „The Long and Winding Road“ hochzufrieden. Aber unter den Beatles-Fans gab es immer eine Fraktion, denen Spectors Beitrag zum Schwanengesang der Fab Four eine Verfälschung schien. Vor allem hatte Paul McCartney stets beteuert, er habe ein radikal anderes, nämlich minimalistisches, zurückgenommenes Album im Sinn gehabt. 2003 wurde darum eine alternative Abmischung auf den Markt gebracht, „Let It Be... Naked“, das so gut wie nichts mehr von Phil Spectors Beiträgen enthielt.

Zum Vergleich: „The Long and Winding Road“ in der Naked-Fassung

Teilt die Beatles-Fans seit 2003 in zwei Lager: eine puristische Fassung a la Paul McCartney ohne Spector-Einmischung.