Große Kreisstädte wie Fellbach und Waiblingen wollen weiterhin als attraktive Arbeitgeber gelten. Sie setzen deshalb auf einen 40-Euro-Zuschuss beim neuen Deutschland-Ticket. Auf einen Eigenanteil wird bewusst gesetzt.

Den Behörden im Rems-Murr-Kreis sind die eigenen Mitarbeiter lieb und teuer. Damit die Arbeitnehmer bei der Stange bleiben, ist Engagement gefragt. Und so profitieren die Beschäftigten für ihre Fahrten in die Büros und wieder zurück von einer gewissen Unterstützung. Schwer ins Zeug legen sich auch Waiblingen und Fellbach, die beiden Großen Kreisstädte ganz im Westen des Rems-Murr-Kreises. Dort haben die jeweiligen Lokalparlamente auf Anregung der Verwaltungen beschlossen, das Neun-Euro-Ticket wieder einzuführen, das in den Sommermonaten 2022 aktionsweise angeboten worden war. Rathausbedienstete erhalten zum Deutschlandticket, das in diesem Mai erstmals an den Start geht und nun aber 49 Euro je Monat kostet, einen Zuschuss in Höhe von 40 Euro.

 

Städte wollen motivierte Mitarbeiter mit „richtiger Haltung“

Wesentlicher Hintergrund in Fellbach, so die Rathausspitze: Die Stadt will weiterhin „als attraktive Arbeitgeberin“ gelten. In ihrer schriftlichen Begründung erklärt Martina Görz vom Hauptamt dazu, dass auch die Fellbacher Stadtverwaltung „wie alle Kommunen“ Mitarbeitende unterschiedlicher Generationen benötige, „die motiviert, gesund und somit möglichst lange erwerbsfähig bleiben“. Besonders wünschenswert sei die „richtige“ Haltung, „das heißt ein Commitment im Sinne einer tiefen Verbundenheit zur Stadt und ihrer Verwaltung“, erläutert Görz mit einem Fachbegriff aus der Personalführung.

Für alle kommunalen Arbeitgeber in Deutschland stelle „die Gewinnung und Bindung von qualifiziertem und motiviertem Personal in einem ausgeprägten Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte“ eine gravierende Herausforderung dar. Daher gewinne die Attraktivität der Stadtverwaltung als Arbeitgeberin immer mehr an Bedeutung.

Da ist Unterstützung beim täglichen Weg zur Arbeit sicher sinnvoll – wobei trotz einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrssystem in Ballungsgebieten unverändert nach wie vor viele Beschäftigte mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren. In der Fellbacher Stadtverwaltung wird im Rahmen des sogenannten betrieblichen Mobilitätsmanagements bereits seit 2007 die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs als klimaschonendes Verkehrsmittel für den Arbeitsweg unterstützt.

Schon bisher gab es „Mobilitäts-Benefits“

Diese „Mobilitäts-Benefits“, wie Martina Görz sie bezeichnet, erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit bei den Mitarbeitenden. Im Jahr 2021 haben circa 150 der bei der Stadt Fellbach Beschäftigten einen Zuschuss in Höhe von 75 Prozent auf ihr Jobticket erhalten, im vorigen Jahr waren es noch mal 20 mehr, also rund 170. Die Ausgaben beliefen sich in den vergangenen beiden Jahren auf jeweils rund 70 000 Euro.

Nun soll die Unterstützung künftig höher ausfallen: Die Verwaltung schlägt vor, allen Beschäftigten der Stadtverwaltung das zum 1. Mai startende Deutschland-Ticket zugänglich zu machen und mit 40 Euro monatlich zu bezuschussen. „Damit kehrt für die Mitarbeitenden das 9-Euro-Ticket zurück“, erläuterte auch die Oberbürgermeisterin Gabriele Zul. In Anspruch nehmen könnten diesen Zuschusses zum Deutschland-Ticket derzeit rund 750 Beschäftigte der Fellbacher Verwaltung. Die Organisatoren im Rathaus gehen davon aus, dass mittelfristig bis zu 400 Mitarbeitende mit dem Angebot erreicht werden können. OB Zull verwies auf die Unterstützung in Stuttgart, das sogar auf einen Eigenanteil der Mitarbeitenden verzichtet, ihnen also das Deutschland-Ticket komplett finanziert. In der Landeshauptstadt gibt es so gesehen das „Null-Euro-Ticket“. Die Fellbacher Verwaltung hingegen möchte an einem Eigenanteil der Mitarbeitenden festhalten, „damit es nicht einen reinen Mitnahmeeffekt gibt“, so Zull. Die Verwaltung „geht derzeit von einem moderaten Anstieg auf 200 Nutzende innerhalb der Verwaltung aus“. Das bedeutet, dass die Kosten für die Neun-Euro-Initiative bei 96 000 Euro im Jahr liegen dürften.

Fellbach liegt mit diesem Festhalten an einem Eigenanteil ganz auf Linie der Nachbarstadt Waiblingen. Diese hat, wie Oberbürgermeisterin Zull hervorhob, bereits vor einigen Wochen einen gleichlautenden Beschluss getroffen. Demnach hat, wie die Waiblinger Stadtsprecherin Gabriele Simmendinger auf Nachfrage erläutert, der für dieses Thema zuständige Ausschuss für Bildung, Soziales und Verwaltung Anfang Februar beschlossen, dass die Stadt Waiblingen im Rahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements für ihre Beschäftigten das Deutschland-Ticket bezuschusst. Beschäftigte mit einem Beschäftigungsumfang zwischen 50 und 100 Prozent erhalten einen Zuschuss von 40 Euro. Es verbleibt ein Eigenanteil von 9 Euro. Beschäftigte mit einem Beschäftigungsverhältnis von weniger als 50 Prozent, dazu gehören auch die geringfügig Beschäftigten, erhalten einen Zuschuss von 20 Euro zum 49-Euro-Ticket.

Baustein in Sachen Klimaneutralität

Zudem erstattet die Stadt Waiblingen ihren Auszubildenden, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Studentinnen und Studenten das VVS Jugend-Ticket-BW seit 1. März in voller Höhe. Das sind 365 Euro jährlich oder 30,42 Euro monatlich.

Mit diesem Vorgehen soll das Personal gewonnen beziehungsweise gehalten werden. „Gleichzeitig fördert die Stadt damit den Umstieg vom Individualverkehr auf den ÖPNV“, sagt Gabriele Simmendinger und ergänzt: „Diese Maßnahme ist somit auch ein Baustein, Waiblingen bis zum Jahr 2035 klimaneutral aufzustellen.“

Platz für Fahrräder im Waiblinger Landratsamt

Unterstützung
Das Waiblinger Landratsamt setzt auf ein ähnliches Zuschuss-Modell wie die Großen Kreisstädte, allerdings handelt es sich nicht um die andernorts praktizierte Quasi-Rückkehr zum Neun-Euro-Ticket.

50-Prozent-Zuschuss
Bisher wurde von der Kreisbehörde das Job-Ticket zu 50 Prozent bezuschusst. Mit dem künftigen Deutschland-Ticket erfolgt eine Umstellung auf einen Zuschuss in Höhe von 23,27 Euro im Monat. Die Kreis-Azubis erhalten das Ticket komplett finanziert.

Verkehrswende
Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz stehen ohnehin ganz oben auf der Kreisagenda. So gibt es im bald aus- und umgebauten Landratsamt am Alten Postplatz in Waiblingen – mit künftig rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – deutlich weniger Parkplätze, dafür eine „Top-Fahrradgarage“, und zwar in der früheren Dienstwagengarage unter dem Pagodenbau, berichtet die Pressesprecherin Martina Keck auf Nachfrage. Neben 150 Fahrradabstellplätzen und E-Ladeplätzen werden auch Spinde und Duschen eingebaut.