Bei den elsässischen Veteranenverbänden der Malgré-nous ist aus jener Rede aber vor allem im Gedächtnis geblieben, dass Gauck die Debatte über die Malgré-nous letztlich als französisches Thema bezeichnet hat. Für Jean-Laurent Vonau wie Renée Baudot handelt es sich um eine Geringschätzung der elsässischen Geschichte, weil er das von Deutschland begangene Unrecht in die Zuständigkeit Frankreichs verlagert. Befürchtet man im Auswärtigen Amt nun etwa neue Entschädigungsforderungen? Schließlich betrifft das Thema Zwangsrekrutierung im Nationalsozialismus mindestens 500 000 Männer aus den zwischen 1939 und 1945 besetzten Gebieten – neben Elsass-Lothringen auch Luxemburg, das belgische Eupen-Malmedy, das ehemalige Jugoslawien und Polen.

 

Mit der Einrichtung der in Deutschland kaum bekannten Stiftung Entente Franco-Allemande (deutsch-französische Verständigung) 1981 habe die Bundesrepublik in der Rechtsnachfolge des NS-Regimes, so die Auffassung des deutschen Historikers Norbert Haase, keinen angemessenen Ausdruck der Anerkennung dieses Unrechts gefunden. Für das heutige Auswärtige Amt stellt die Einzahlung von damals 250 Millionen D-Mark in besagte Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsrekrutierter indes eine „abschließende Geste“ dar. „Ungeachtet dessen, ob sich aus heutiger Sicht ein Entschädigungsanspruch ableiten lässt“, kritisiert der Grünen-Politiker Volker Beck, „liegt es in der moralischen Verantwortung Deutschlands, den Zwangsrekrutierten eine besondere Anerkennung ihres Leidens zuzuerkennen.“

Gedenken am 75. Jahrestag der Zwangsrekrutierung

Renée Baudot wird nicht lockerlassen. „Kohl ist nach Verdun gegangen“, fährt sie energisch fort. „Aber es gibt noch mehr zu tun.“ Der Erlass, durch den die Zwangsrekrutierung überhaupt möglich wurde, jährt sich am 25. August 2017 zum 75. Mal. Renée Baudot gehört zu den Organisatoren eines Festaktes, der dem Anlass, wie sie sagt, würdig sein soll. Jene, die noch leben, seien hochbetagt. Etliche werden nur in einem Rollstuhl teilnehmen können. Eine Messe im Straßburger Münster soll es geben. „Wir erwarten ein Zeichen“, schließt Renée Baudot, „damit es weitergehen kann.“