Vier rechte Bundestagsabgeordnete treten am Mittwochabend in der Hemminger Gemeinschaftshalle auf. Viele Bürger sind empört – auch darüber, dass die Gemeinde ihre Halle dafür hergibt. Die SPD und „Die Partei“ haben Gegendemos angemeldet.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Hemmingen - Das „staatliche Totalversagen in der inneren Sicherheit“, „Wie deutsche Entwicklungshilfe im Ausland verschleudert wird“, „Ist die EU auf dem Weg in die EUdSSR?“: Unter diesen Schlagworten lädt die AfD am Mittwoch zu einer politischen Veranstaltung ein – im beschaulichen Hemmingen. „Es handelt sich um einen der vielen Bürgerdialoge unserer Bundestagsfraktion, bei denen wir interessierte Bürger über unsere Arbeit informieren“, sagt der Ludwigsburger AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess. Die Partei hat die Gemeinschaftshalle der Kommune gemietet. Viele Hemminger sind angesichts dieser Veranstaltung in ihrem Ort aufgebracht. Vor allem auf sozialen Netzwerken wie Facebook kochen die Emotionen hoch.

 

Nicht nur, dass der AfD-Bürgerdialog überhaupt in Hemmingen stattfindet, ruft Unmut hervor, sondern auch, dass viele Bürger erst durch Wurfsendungen der AfD in ihren Briefkästen davon erfahren haben. Und dass die Hemminger Verwaltung die Gemeinschaftshalle überhaupt für die AfD zur Verfügung stellt. Allerdings war auch der Gemeinderat erst vergangene Woche informiert worden. „Die AfD sieht eine corona-konforme Durchführung mit 63 Sitzplätzen vor, und auch die Bewertung der hinzugezogenen Polizei sah keine Möglichkeit vor, die Veranstaltung zu verbieten“, heißt es in der Mitteilung des Bürgermeisters Thomas Schäfer (CDU) an die Gemeinderäte.

„Eine Demokratie muss so etwas aushalten“

Einer im Bundestag vertretenen Partei eine Halle ohne plausiblen Grund zu verweigern, das stelle sich mancher vielleicht leichter vor, als es sei, sagt Schäfer. Hätte Hemmingen sich quergestellt, hätte spätestens ein Verwaltungsgericht den AfD-Bürgerdialog doch genehmigt, so seine Überzeugung. Es darauf ankommen zu lassen, um zu signalisieren, dass man als Kommune eine solche Veranstaltung nicht haben wolle, das habe man nicht erwogen. Der Bürgermeister findet: „Eine Demokratie muss so etwas aushalten.“

Aushalten vielleicht, einfach zuschauen aber nicht: So sehen das die Hemminger SPD und „Die Partei“, für die in Hemmingen Markus Walker im Gemeinderat sitzt. Beide Parteien haben Gegendemonstrationen angemeldet, die mündlichen Zusagen sind schon da. „Eine Anmeldebestätigung durch die Versammlungsbehörde wird voraussichtlich am Dienstag erfolgen“, erklärt Frank Wittmer von der Pressestelle des Landratsamtes Ludwigsburg.

Die Fronten sind verhärtet

„Wir wenden uns dagegen, dass Rassisten und rechte Hetzer in unserer Gemeinde ein Forum für ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Aufrufe erhalten“, schreiben der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Stehmer und der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Michael Kogler in einem Aufruf an die Bürger, am 23. September zwischen 18 und 22 Uhr „Haltung gegen rechte Hetzer“ zu zeigen und für gesellschaftlichen Zusammenhalt einzustehen. Markus Walker erklärt, frei nach Motto eines der vorgesehenen AfD-Redebeiträge lade die „Partei“ am Mittwoch von 18 Uhr an dazu ein, sich „mit Sicherheit und Freibier auf den Weg in die EUdSSR“ zu begeben. Walker ist sich sicher, dass viele Hemminger den Weg zu den Gegenveranstaltungen finden werden.

Die Hemminger CDU hätte sich eine gemeinsame Positionierung der Parteien und Wählervereinigungen im Gemeinderat gewünscht. Er habe das in einem Schreiben an alle Kollegen angeregt, sagt CDU-Ortsverbandsvorsitzender Wilfried Gentner. „Die SPD hat aber nicht darauf geantwortet und ihr eigenes Ding gemacht.“ Schon lange gibt es zwischen CDU und SPD massive Friktionen. Grund dafür ist die Haltung der CDU zur gymnasialen Oberstufe in der Gemeinschaftsschule, aber auch SPD-Anschuldigungen der Vorteilsnahme gegen einige Selbstständige im Gemeinderat und gegen die Gemeindeverwaltung. Die Fronten sind verhärtet.

Keine Geschlossenheit beim Protest

„Extrem bedauerlich“ sei es, sagt Gentner, dass diese Auseinandersetzungen ein geschlossenes Einstehen gegen die AfD vereitelten. Auch die CDU sei gegen die Veranstaltung. „Nicht alle AfD-Wähler sind braun, aber sie rennen tief braunen Leuten hinterher. Und in Hemmingen wird ein Markus Frohnmaier sprechen, der im Visier des Verfassungsschutzes steht. Da hätte es uns gut angestanden, gemeinsam Stellung zu beziehen.“

Martin Hess ficht es nicht an, dass sich Protest formiert: „Es steht allen Bürgern frei, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen“, sagt der Ludwigsburger AfD-Abgeordnete. „Das umfasst auch Demonstrationen gegen gute Oppositionspolitik zum Wohl Deutschlands und seiner Bürger, wie wir sie im Bundestag betreiben.“ Der Abend sei ausgebucht, für weitere Interessierte werde es einen Livestream geben.

Schon im Frühjahr hatte die AfD ihre Fühler nach der Halle ausgestreckt. Der Gemeinderat änderte im März vorsorglich die Nutzungsordnung: Die Halle gibt es für politische Veranstaltungen nur noch, wenn die Presse zugelassen ist. Doch dann kam Corona, und die AfD-Anfrage schien vergessen – bis vor wenigen Tagen.