Eigentlich hat Jörg Kindel als Rathauschef von Au bei Freiburg genug zu tun. Doch jetzt haben ihn die Bürger im Nachbarort auch noch gewählt. Wie bewältigt man diese Doppelbelastung?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Au - Klar wird es ein langer Tag. Am Abend tagt der Gemeinderat. Am Morgen sitzt Jörg Kindel in seinem winzigen Rathaus und erstellt eine Power-Point-Präsentation zum aktuellen Großprojekt, der Erweiterung des Kindergartens. Später muss er beim Rechnungsamt der Verwaltungsgemeinschaft vorbeischauen. Am Nachmittag ist ein Termin im Landratsamt, und dann, ach ja, findet kurz vor der Sitzung noch das Vorstellungsgespräch mit dem neuen Hausmeister statt. Zwischendrin fährt Kindel mit seinem Smart beim Hochbehälter vorbei. Der ist frisch gestrichen und – klick – da will er den Gemeinderäten unter „Verschiedenes“ natürlich ein Foto präsentieren.

 

Es ist nicht so, dass sich Jörg Kindel in seinem Amt als Bürgermeister von Au (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) langweilen würde. 1400 Einwohner zählt der Ort im Hexental, zehn Fahrradminuten südlich des Freiburger Ökostadtteils Vauban gelegen. Dennoch hat der CDU-Politiker demnächst ein Amt mehr. In der vergangenen Woche wurde der 54-Jährige auch in Wittnau zum Bürgermeister gewählt. Die Nachbargemeinde hat gleichfalls 1400 Einwohner, dazu einen Kindergarten, Gemeinderat, Hochbehälter.

Vereinigung durch die Hintertür?

Es ist gar nicht so selten, dass ein Bürgermeister in Baden-Württemberg zwei Gemeinden versorgt. Allein im Kreis Tuttlingen und im Alb-Donau-Kreis gibt es das Modell je viermal, im ganzen Land zählt der Gemeindetag 15 Doppelbürgermeister. Alle eint jedoch, dass zumindest eine ihrer Gemeinden so klein ist, dass sie nur wenige hundert Einwohner zählt und der Posten dort nur ein Ehrenamt ist. Wo der Bürgermeister im Zweifelsfall anzutreffen ist, ist klar: natürlich im Rathaus des Hauptortes. In Wittnau und Au muss Kindel hingegen zwei Hauptämter vereinbaren. Er wird sich, auch was die Präsenz betrifft, aufteilen müssen.

„So etwas hatten wir unseres Wissens noch nicht“, sagt Kristina Fabijancic-Müller vom Gemeindetag. Kein Wunder, dass Kindel mit seiner Idee in der Bürgerschaft zunächst auf Skepsis stieß. Ob er nicht ausgelastet sei, wurde er gefragt. Und manche befürchteten gar, hier könnte durch die Hintertür etwas betrieben werden, was bei der Gemeindereform vor 45 Jahren mit Ach und Krach verhindert werden konnte, nämlich eine Gemeindefusion im Hexental.

Gemeinden teilen sich die Gehaltszahlung

Nein, es sei ja gerade sein Ziel, die Eigenständigkeit zu sichern, betonte Kindel immer wieder. In den beiden Gemeinderäten fand er relativ schnell Unterstützung. Auch sie kennen die Zahlen. „Wir können ja nur bei den Personalkosten sparen“, sagt der Auer Gemeinderat Dieter Bauer. Zwar rutscht Kindel durch die Bevölkerungsverdoppelung in die nächsthöhere Besoldungsstufe, was etwa ein Plus von mehr als 600 Euro brutto bedeutet. Doch für beide Gemeinden wird es billiger, weil sie das Gehalt nur noch je zur Hälfte zahlen müssen. Zudem halbieren sich die Pensionslasten. Denn auch für ihre Altbürgermeister müssen die Gemeinden aufkommen.

Die Wittnauer hat das offensichtlich überzeugt. Obwohl ein weiterer Verwaltungsprofi zur Wahl stand, stimmten 75 Prozent für den Mann, den sie schon seit 15 Jahren aus dem Nachbarort kennen. Was die Menschen in Au denken, wird sich im nächsten Jahr zeigen. Dann muss sich Kindel dort zur Wiederwahl stellen.

Fragt sich nur, wie er die Doppelbelastung meistern wird. Manches werde er delegieren müssen. Es gebe aber auch Synergieeffekte, sagt Kindel. Bei der Sitzung im Gemeindeverwaltungsverband vertrete er künftig eben einfach zwei Gemeinden. Und die Kommunalwahl, bei der er kraft Amtes in beiden Orten stimmberechtigt ist, werde er auch bewältigen. Knifflig dürfte es nur werden, wenn Au und Wittnau einmal widerstreitende Interessen haben. In den vergangenen 15 Jahren sei das aber nicht allzu oft vorgekommen.