Julia Benkowitsch, Studentin aus Filderstadt, fährt bei der Europa-Orient-Rallye mit. Drei Wochen lang geht es mit einem 20 Jahre alten Passat durch die Pampa– ohne Autobahnen, ohne Mautstraßen, ohne Navi. Was bewegt die junge Frau dazu?

Filderstadt - Wer mit seinem Fahrzeug von A nach B kommen möchte, der schaltet das Navigationssystem ein. Julia Benkowitsch aus Filderstadt macht sich im Mai auf, mit dem Auto quer durch Europa zu reisen – und darf das Navi dafür nicht benutzen. Auch Hotel und schicke Karre sind tabu. Das schreibt das Regelbuch der Europa-Orient-Rallye vor, an welcher sie gemeinsam mit Johannes Kück an den Start geht. Die beiden werden innerhalb von drei Wochen mehrere Tausend Kilometer zurücklegen: „Das ist ein aufregendes Abenteuer. Das macht man nur einmal im Leben“, sagt Benkowitsch.

 

Sie und Kück studieren an der Hochschule Esslingen Fahrzeugtechnik. Sie müssen während ihrer Studienzeit Projekte absolvieren. „Alle anderen Projekte fand ich langweilig. Bei diesem hier befasse ich mich mit Technik und kann gleichzeitig mit Sponsoren über Geld verhandeln“, sagt Kück. Denn es ist nicht damit getan, die Strecke zurückzulegen. Die Fahrt an sich ist reines Privatvergnügen. Das Projekt umfasst vielmehr die Organisation: Seit über einem Jahr organisieren Kück und Benkowitsch gemeinsam mit anderen Studierenden die Teilnahme: „Es ist keine Pauschalreise. Ingenieure brauchen heute auch Sozialkompetenz, die wir hier erwerben“, sagt Kück.

Ohne Autobahn, ohne Mautstraße, ohne Navi

Die beiden werden in einem über 20 Jahre alten VW Passat über den Balkan nach Istanbul, Georgien und den Iran reisen: „Ohne Autobahn, ohne Mautstraße und ohne Navi“, betont Kück. Dass sie dafür keinen Neuwagen nehmen, sieht das Regelwerk der Rallye vor. Das Auto muss mindestens zwei Jahrzehnte alt sein oder darf einen Wert von 999,99 Euro nicht überschreiten. Die erste Aufgabe für die Studenten war es also, ein solches aufzutreiben.

Als Kück mitbekam, dass ein ehemaliges Laborfahrzeug ausgemustert wird, griff er zu: „Eigentlich hätte es verschrottet werden sollen.“ Doch die Projektgruppe hat es davor gerettet: „Wir haben es für einen Freundschaftspreis von einem Euro bekommen“, sagt Benkowitsch. Damit begann die ganze Arbeit. Die Studierenden mussten das Auto überholen: Sie installierten Ladedosen für Handys und richteten das Auto für den TÜV her. Außerdem befestigten sie einen Bettkasten auf dem Passat.

Der Bettkasten lässt sich aufklappen

Denn die Regeln schreiben auch vor, dass eine Übernachtung im Schnitt nicht mehr als elf Euro und elf Cent kosten darf. „Zelten wollten wir nicht. Manche schlafen im Auto, aber dann muss man ständig alles rumräumen“, sagt Julia Benkowitsch. Deshalb verbringen sie und Johannes Kück ihre Nächte nun auf dem Auto. Der Bettkasten lässt sich aufklappen, sodass eine Art Zelt entsteht.

Los geht es dieses Jahr in Heilbronn. Wie genau die Route aussieht, wissen die Teams noch nicht. Sie kennen nur ein paar Fixpunkte. Welche Strecke sie zurücklegen werden, hängt auch von den Aufgaben ab, die sie während der Rallye erledigen müssen. Es kommt nämlich nicht darauf an, wer als Erster über die Ziellinie fährt: „Das Team, dass die meisten Aufgaben am besten erledigt, gewinnt die Rallye“, sagt Benkowitsch. Über die Aufgaben sollen die Teilnehmer mit den Einwohnern unterschiedlicher Länder in Kontakt kommen oder einen sozialen Beitrag leisten, indem sie Hilfsorganisationen unterstützen.

Teilnehmer brauchen Instrumente und Kinderschuhe

Und die Herausforderungen sind vielfältig: Kück berichtet, dass die Teams im Jahr zuvor in Anatolien in einer Bar die Besucher als Band beschallen mussten. Er vermutet, dass dieses Jahr eine ähnliche Aufgabe auf ihn zukommen wird: Denn die Teilnehmer müssen Musikinstrumente mitbringen. Außerdem muss jeder im Vorfeld ein paar Winterschuhe für Kinder besorgen, die im Iran gespendet werden.

„Meine größte Angst ist, dass uns in der Pampa der Sprit ausgeht“, sagt Kück. Doch sollte das Fahrzeug aufgrund eines Defekts liegen bleiben, wissen die Fahrer sich zu helfen: Sie sind ausgebildete Kfz-Mechatroniker.

Wenn die Teams am Zielort angekommen sind, werden die Sieger geehrt. Bisher wurden diese immer in Jordanien gekürt: Sie erhielten ein Kamel, das sie dort einem Farmer spendeten, um ihm eine Lebensgrundlage zu schaffen. Doch wegen der politischen Lage im Nahen Osten führt die letzte Etappe die Teams dieses Jahr nach Zypern auf die Rallyestrecke. Von dort aus geht es dann mit dem Flugzeug zurück nach Deutschland, das Auto wird vor Ort noch für gute Zwecke versteigert. Natürlich wollen Benkowitsch und Kück einen der vorderen Plätze belegen, doch das vorrangige Ziel ist ein anderes, sagt Kück: „Es ist wichtig, mit allen Händen und Füßen in Stuttgart wieder aus dem Flugzeug zu steigen.“

Löffel gesucht!

Jeder Teilnehmer der Europa-Orient-Rallye muss 111 Metalllöffel organisieren. Diese wird Uri Geller zu einem Kunstwerk verarbeiten. Julia Benkowitsch und Johannes Kück fehlen hierzu noch ein paar: Wer also in der Besteckschublade noch welche liegen hat, kann sich bei ihnen per Mail unter rallye-stall@hs-esslingen.de melden. Außerdem werden Sponsoren jeglicher Art gesucht: Im Moment benötigt das Team noch Ersatzräder, auch Geldspenden für Flug und Verpflegung sind willkommen.