Busfahren nach Bedarf statt Fahrplan – das wird seit 10. März im Rahmen des Reallabors Schorndorf getestet. Rund 3400 Fahrgäste haben den flexiblen Nahverkehr bisher genutzt. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat sich über das Projekt informiert.

Schorndorf - Seit elf Wochen sind Gottlieb und Barbara im Einsatz. So heißen die beiden Busse, die von Freitagnachmittag bis Sonntagnacht im Süden Schorndorfs unterwegs sind. Sie halten nicht nach einem bestimmten Fahrplan – sondern verkehren je nach Bedarf. Die Routen stellt das digitale Bestellsystem aus den Fahrtenwünschen der Nutzer zusammen, zudem wurden zusätzlich zu den bestehenden Haltestellen rund 200 virtuelle Haltepunkte definiert.

 

Beim Reallabor Schorndorf wird seit gut zwei Jahren daran getüftelt, wie der öffentliche Nahverkehr in Zukunft aussehen und an individuelle Ansprüche angepasst werden kann. Wie die Umsetzung des Projekts in der Realität funktioniert, darüber hat sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am Mittwoch vor Ort informiert.

65 Prozent der Buchungen kommen über die App

„Es wird von Wochenende zu Wochenende stabiler“, berichtete Oberbürgermeister Matthias Klopfer, der selbst Opfer der ersten Anlaufschwierigkeiten geworden ist: „Da will der OB Bus fahren und kein Bus ist verfügbar, weil das System überlastet ist“, erzählte er von seinen Erfahrungen.

Durchschnittlich werden zu den Betriebszeiten am Wochenende zwischen 350 und 400 Fahrten gebucht, mittlerweile haben Barbara und Gottlieb 3400 Gäste transportiert. „Etwa 65 Prozent der Buchungen werden per App getätigt“, sagte Mascha Brost, die zuständige Projektleiterin beim deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Vergleich mit anderen ähnlichen Angeboten bei Ruftaxis sei das eine hervorragende Quote, bescheinigte Thomas Knöller vom VVS. Daneben ist die Buchung per Internet, per Telefon oder über Kooperationspartner wie Cafés oder öffentliche Einrichtungen möglich.

Viel Mut: Bedarfsbus ersetzt das bisherige Angebot

Neben der Stadt Schorndorf, DLR und VVS gehören noch die Hochschule Esslingen sowie das Busunternehmen Knauss zu den Projektpartnern. „Die Freundlichkeit und Flexibilität der Busfahrer spielt eine wichtige Rolle, es ist ganz toll, wie diese mit den Kunden umgehen“, berichtete Matthias Klopfer. Denn es gebe nicht nur begeisterte Nutzer, sondern auch Unzufriedenheit bei den Kunden.

Dafür gibt es einige Gründe. Zum einen stellen die Bedarfsbusse kein zusätzliches Angebot dar, sondern sie ersetzen zwei reguläre Buslinien. „Das habe ich noch nirgendwo anders kennengelernt. Schorndorf und der Gemeinderat haben viel Mut bewiesen“, sagte Barbara Lenz, Leiterin des DLR-Instituts für Verkehrsforschung.

Im Spätherbst endet der Probelauf

Zu diesem grundlegenden Konfliktpotential kommen verschiedene Detailprobleme. Nicht jeder hat ein Smartphone und nicht jeder möchte seine Busfahrt über eine Hotline buchen. Dauernutzer wollen nicht jede Fahrt extra buchen müssen, andere Fahrgäste verwirrt das System mit den virtuellen Haltepunkten. Aber es gibt auch schon positive Erkenntnisse. Die Abfahrtszeiten der Busse am Bahnhof richten sich nach dem S-Bahn-Takt, „und es hat sich gezeigt, dass die Verbindung von Bedarfssystem und Fahrplangebundenem System funktioniert“, sagte Thomas Knöller vom VVS, der sich das Modell gut für andere Stadtbussysteme vorstellen kann.

Im Spätherbst wird der Probelauf in Schorndorf enden. Wie es dann weitergeht, hängt von mehreren Faktoren, nicht zuletzt der Finanzierung, ab: „Wir wollen das Projekt aber zu einem richtig guten Ende bringen. Es soll ohne flexibles Bussystem nicht mehr gehen“, sagte Barbara Lenz.

Reallabore in Baden-Württemberg

Idee
: In Baden-Württemberg werden seit drei Jahren 14 Reallabore mit rund 18 Millionen Euro gefördert. Die Idee ist, dass Wissenschaft, Bürger, Kommunen und Wirtschaft an zukunftsfähigen und nachhaltigen Lösungen für zentrale gesellschaftliche Herausforderungen arbeiten. Die Projekte sind auf drei Jahre angelegt, einige haben eine Anschlussfinanzierung bekommen. Die Reallabore gehen auf eine Empfehlung der Expertenkommission „Wissenschaft für Nachhaltigkeit“ zurück.

Projekte
: Während sich das Reallabor Schorndorf mit der Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs beschäftigt, steht beispielsweise beim Reallabor Stadt-Raum-Bildung in Heidelberg die Schule als Lern- und Lebensraum im Fokus. Andere Vorhaben beschäftigen sich mit klimaverträglichem Wohnen, dem demografischen Wandel oder der Digitalisierung des Alltags.