Nicht mehr als 140 Millionen Euro sollen die zehn Formel-1-Rennställe von der kommenden Saison an ausgeben. Doch nun keimen neue Ideen, die Ferrari überhaupt nicht gefallen.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Charles Leclerc wird’s in der Rennpause nicht langweilig. Der Jungstar von Ferrari mischt recht erfolgreich in der virtuellen Grand-Prix-Serie mit, den Großen Konsolen-Preis von Australien und den Großen-PC-Lauf von China hat der Monegasse gewonnen und darf damit auf seine sensationelle Siegquote von 100 Prozent bei zwei Starts stolz sein. Und wenn Charles Leclerc nicht virtuell durch die Kurven rast, stellt sich der 22-Jährige daheim in Monte Carlo an den Herd und geht im Kochen ins freie Training. Da hat er echten Nachholbedarf und muss einige zusätzliche Küchenrunden drehen. Pasta pur kriegt er schon hin, da kann wenig schiefgehen. „Ich gehe nicht zu viel Risiko ein“, scherzte der Ferrari-Pilot in einem Videobeitrag, neulich hat er sich sogar an eine Carbonara-Soße gewagt. „Die war sogar ganz gut“, urteilte Leclerc.

 

Mattia Binotto hat in diesen Tagen andere Sorgen als Pasta und Soßen – trotzdem dreht sich dem Teamchef der Scuderia aus Maranello gelegentlich der Magen um. In der Corona-Zwangspause schmecken die Chefköche der Formel 1 das Rezept ab, aus welchen essenziellen Zutaten die Rennserie in Zukunft bestehen möge, um den Geschmack von Teams und Fans gleichermaßen auf den Punkt zu treffen. Besonders das Thema Budgetobergrenze ist ein kontrovers diskutiertes, und zwar seit vielen Jahren. Die Deckelung der Ausgaben ab 2021 auf jährlich rund 160 Millionen Euro war mittlerweile endlich abgesegnet, die kleinen Teams forderten danach eine weitere Senkung, so dass sich die zehn Rennställe auf nicht ganz 140 Millionen Euro einigten – wobei die Fahrergehälter nicht eingerechnet werden.

Womöglich muss Ferrari Angestellte entlassen

Doch manchen PS-Köchen aus dem finanzschwächeren Garagen sind noch immer zu viele Eurokalorien im üppigen Festmahl, sie wollen noch weniger monetäre Kohlenhydrate im Formel-1-Gericht. Sie fordern die 100-Millionen-Euro-Diät, was bei Ferrari und Mattia Binotto so ankommt, als würde man alle japanischen Sumo-Stars zum kollektiven Zwangsabspecken in die 100-Grad-Sauna schicken. „Das geht nicht ohne signifikante Einsparungen, insbesondere im Bereich der Arbeitskräfte“, wetterte Binotto in einem Interview, „sollte es noch weiter runtergehen, wollen wir nicht in eine Position gebracht werden, nach anderen Optionen schauen zu müssen, wo wir unsere Renn-DNA entfalten können.“ Ferrari beschäftigt in der Formel 1 rund 1500 Menschen und gibt pro Saison schätzungsweise 350 Millionen Euro aus.

Signore Binotto kocht sein eigenes Süppchen, und manche haben seine Worte als Drohung verstanden, Ferrari könne die Formel 1 im Fall der Fälle verlassen. Doch das wollte der 50-Jährige so nicht stehen lassen und erklärte am Donnerstag, dass er diesen Zusammenhang „niemals erwähnt“ habe – was nicht heißt, dass sein Arbeitgeber in der Etatfrage jedes Ergebnis akzeptieren werde.

Niemand bei Rechteinhaber Liberty Media wird die Argumente der Italiener unter den Teppich kehren – die Equipe aus Maranello zählt seit 1950 ununterbrochen zur Formel 1, sie ist das schillerndste Team und besitzt eine Sonderstellung in der Rennserie. „Wir sind uns bewusst, dass die Formel 1 und die Welt durch die Corona-Krise besonders schwere Zeiten durchleben“, betonte Binotto, „es ist aber nicht die Zeit, voreilig zu handeln, denn dann geht man das Risiko ein, Entscheidungen in dieser Notsituation zu treffen, ohne alle Konsequenzen durchdacht zu haben.“

Williams-Team kämpft ums Überleben

Ferrari verhandelt aus einer Position der Stärke, die kleinen Teams kämpfen schon lange um jeden Cent, die Pandemie verschlimmerte ihre Finanzlage. „Für uns als unabhängigen Rennstall wird es kritisch“, gab Teamchefin Claire Williams vom Traditionsteam Williams kürzlich zu, „wir müssen 2020 unbedingt Rennen fahren, um zu überleben.“ Wie andere Teams muss auch Williams ein Hilfsprogramm der britischen Regierung in Anspruch nehmen, Teamführung sowie die Piloten George Russell und Nicholas Latifi verzichten auf 20 Prozent Gehalt. McLaren steht finanziell besser da und muss nicht um den Fortbestand fürchten, dennoch warnte Teamchef Andreas Seidl zuletzt: „Wir müssen alle gemeinsam aufpassen, dass die Formel 1 nicht sehr bald einige Teams verliert.“

Ferrari erhält im Zwist um eine weitere Budgetdeckelung Unterstützung von Red Bull, das Getränketeam plagen ebenfalls kaum Geldsorgen. RB-Teamchef Christian Horner könnte sich vorstellen, dass Teams, die Kunden mit Motoren oder Chassisteilen beliefern, mehr ausgeben dürfen – das beträfe Ferrari, aber auch Renault, Honda und Mercedes. Vom Weltmeisterteam aus Brackley äußerte sich aktuell niemand in der Budgetdiskussion, grundsätzlich unterstützt das Team die Deckelung – eigentlich dürfte keiner aus dem Daimler-Konzern etwas dagegen haben, einige Millionen einzusparen.