Als Finanzplatz hat Zypern keine Zukunft mehr. Ob die Bodenschätze der Inselrepublik genug Erlöse bringen können, um die nahende Rezession zu dämmen? Eine Analyse des Rettungspakets aus Sicht der Mittelmeerinsel.

Nikosia - Europa atmet auf. Nach einer nervenaufreibenden Zitterpartie haben sich die EU, der Internationale Währungsfonds und Zypern buchstäblich in letzter Minute auf ein Rettungskonzept geeinigt. Aber die Menschen auf Zypern haben keinen Grund zur Freude. Der befürchtete Zusammenbruch des Bankensystems und der drohende Staatsbankrott wurden zwar abgewendet, aber um welchen Preis! Die zweitgrößte Bank der Insel wird abgewickelt, das größte Geldinstitut muss sich gesundschrumpfen. Dadurch gehen nicht nur bei den Banken Tausende von Arbeitsplätzen verloren. Die zyprische Volkswirtschaft insgesamt steht vor einschneidenden Veränderungen.

 

Die horrende Bilanzsumme der zyprischen Banken soll auf die Hälfte und so etwa auf EU-Durchschnitt zurückgefahren werden. Diese Rosskur, in deren Verlauf die zyprische Wirtschaft insgesamt stark schrumpfen wird, ist hart, aber unvermeidlich. Viele Zyprer sehen darin ein Diktat der Europäer. Bei nüchterner Betrachtung hätte den Menschen auf Zypern aber längst klar sein müssen, dass ihr Geschäftsmodell erhebliche Risiken birgt.

Die Bank sammelte Geld von reichen Ausländern

Exemplarisch zeigt das die Laiki-Bank, die jetzt abgewickelt werden muss. Immer mehr ausländische Gelder sammelte die Bank in den vergangenen Jahren ein, bei reichen Russen ebenso wie bei wohlhabenden Ukrainern, Briten und Libanesen. Die einstige „Volksbank“, so der Name des Instituts in der Übersetzung, expandierte in zehn Länder und machte zum Schluss rund die Hälfte ihres Geschäfts im Ausland. Wohin mit den vielen Einlagen? Die Manager der Bank vergaben nicht nur bereitwillig Kredite, von denen viele inzwischen notleidend sind. Sie investierten auch rund drei Milliarden Euro, das gesamte Eigenkapital der Bank, in griechische Staatsanleihen – ein unbegreiflicher Leichtsinn. Beim griechischen Schuldenschnitt vor einem Jahr verlor die Laiki infolgedessen rund 2,7 Milliarden Euro. Damit war das Schicksal der Bank besiegelt.

Dass sich die Europartner nun weigerten, die Laiki-Bank mit europäischen Steuergeldern zu retten, ist verständlich. Aber die Abwicklung des Kreditinstitutes und die geplante Zwangsabgabe auf große Einlagen, mit der sich die Kunden der Bank of Cyprus an der Rekapitalisierung des Instituts beteiligen sollen, sind Entscheidungen, deren Tragweite noch gar nicht abzusehen ist. Das Vertrauen in das zyprische Bankensystem wird damit zerstört. Als Finanzplatz hat die Insel voraussichtlich keine Zukunft mehr.

Der Exportsektor Zyperns ist leistungsschwach

Was an die Stelle der Finanzdienstleistungen treten könnte, ist noch völlig unklar. Entwicklungsmöglichkeiten bietet zwar der Fremdenverkehr, aber wer kann in dieser Situation überhaupt in neue Hotels und die Tourismus-Infrastruktur investieren? Den zyprischen Unternehmen fehlt das Geld. Und ausländische Investoren werden in den nächsten Jahren wohl erst einmal einen großen Bogen um Zypern machen. Der zyprische Exportsektor ist überdies leistungsschwach. Selbst gesteigerte Ausfuhren könnten die Einbußen in der Finanzwirtschaft nicht annähernd ausgleichen.

Bleibt die Hoffnung auf die Erdgas- und Erdölvorräte, die vor den Küsten Zyperns vermutet werden. Aber ihr wahres Ausmaß ist bislang unbekannt. Die Schätzungen über den Wert der Bodenschätze gehen weit auseinander. Eine Studie der Royal Bank of Scotland beziffert den Marktwert auf rund 600 Milliarden Euro. Das entspräche mehr als dem Dreißigfachen der Jahreswirtschaftsleistung. Die Experten der Großbank Morgan Stanley setzen dagegen den Wert der Vorkommen bei maximal 32 Milliarden an. Auch das ist eine beträchtliche Summe. Aber bis die Erlöse aus der Förderung sprudeln, werden mindestens noch fünf bis sechs Jahre vergehen.

Bis dahin droht Zypern ein tiefer wirtschaftlicher Absturz. Die bevorstehende Rezession könnte soziale Konflikte auslösen, die letztlich dazu führen, dass die Zyprer dem Euro und der EU den Rücken kehren – was ja durch das Hilfspaket gerade verhindert werden soll. Zypern ist klein, aber ein solcher Schritt würde die ganze Währungsunion erschüttern. Die Staatspleite Zyperns ist zwar vorerst abgewendet, aber gerettet ist die Insel noch lange nicht.