Neue Kinder- und Jugendbücher zum Thema Familie Und plötzlich sind da zwei Mütter
Die klassische Konstellation Vater-Mutter-Kind hat als verbindliches Familienmodell ausgedient. Was macht jenseits der Verwandtschaft eine Familie aus? Neue Kinder- und Jugendbücher bieten viele Antworten.
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Foto Loewe-Verlag/S. Natalini
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Ob Affenbande oder Menschenfamilie: Freude am Miteinander, Vertrauen und Liebe sind die Basis fürs glückliche Zusammenleben.
Foto Jacoby & Stuart
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Von einer klassischen Kleinfamilie mit Eltern und zwei Kindern erzählt Lilli L’Arronge in dem witzigen Comicbuch „Familienbande“ (Verlag Jacoby & Stuart. 72 Seiten, 15 Euro. Ab sechs). Alltagssituationen, so lustig wie anstrengend, in jedem Fall nur allzu vertraut, schimmern in den quicklebendigen, sehr realistischen Bildern und Dialogen auf. Zwei kleine Töchter, die konkurrieren, aber jederzeit bereit sind, sich gegen die Eltern zu verbünden; ein gutmütig verspielter Vater und eine Mutter, die mit Humor und Augenrollen alles am Laufen zu halten versucht. Sei es das zähe, morgendliche Aufstehen oder eine gemeinsame Wanderung, in der man – „Ist es noch weit?“ – besser schnell zum Picknick übergeht: Große Vorleser dürfen hier feststellen, dass sie nicht allein sind im Bemühen, alles gut zu machen, was eben nur begrenzt gelingt.
Foto Verlag Tulipan
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Die neunjährige Rita aus „Kakao und Fischbrötchen“ (Verlag Tulipan. 192 Seiten. 13 Euro. Ab acht) lebt ganz anders. Ihr geht es prima mit ihrer Mutter, die am Gewässer von Berlin-Spandau eine Segelschule betreibt. Mit dem mittlerweile in Spanien wohnenden Vater fühlt sie sich dank Snapchat und Postkarten eng verbunden. Doch dann taucht da der nette Stefan auf, erweist sich als neue Liebe von Mama und zieht samt seinen drei nervigen Söhnen für die Sommerferien „zur Probe“ bei ihnen beiden ein. Valentina Brüning, Absolventin der hiesigen Filmakademie, weiß in ihrem Kinderbuchdebüt mit spritzigen Dialogen gekonnt aus kindlicher Sicht zu erzählen. Das Mädchen fühlt sich zurückgesetzt und will die störenden Jungs einfach nur loswerden. Über ihre kleinen und großen Kämpfe wachsen die Kinder jedoch zusammen. Man wünscht diesem charmanten Buch auch erwachsene Leser, denn trotz Happy End machen hier die „Großen“ nicht alles richtig, was die Kinder natürlich spüren.
Foto dtv
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Noch komplizierter geht es zu in „Mein neues Herz lernt, wie man l(i)ebt“ (dtv. 348 Seiten, 14,95 Euro. Ab elf). Die zwölfjährige Sunny hat gerade eine Herztransplantation gut überstanden. Sie freut sich über ihr neues Leben und steckt voller Pläne: eine beste Freundin finden, zum ersten Mal einen Jungen küssen. Plan eins gelingt schnell, als sie Quinn am Strand kennenlernt, die neu hinzugezogen ist. Das sympathische Mädchen mit den blau gefärbten Haaren will ihr ihr auch bei Plan zwei helfen. Oder doch nicht? Fühlen die beiden sich mehr zueinander hingezogen als zu Jungs? Als sei das nicht verwirrend genug, taucht auch noch Lena, Sunnys leibliche Mutter, auf. Sie hatte Sunny als Kleinkind in die Obhut ihrer engen Freundin Kate gegeben, weil sie mit der Trauer um Lenas verstorbenen Vater nicht zurechtkam und anfing zu trinken. Kontakt suchte sie nie – bis zu Sunnys dramatischer Operation. Ashley Herring Blake zeigt Sunnys Gefühlschaos angesichts von plötzlich zwei Müttern, die unterschiedlicher kaum sein könnten, so berührend wie mitreißend. Auch die erwachsenen Protagonisten sind sensibel gezeichnet in diesem feinen, poetischen Jugendbuch.
Foto Hanser-Verlag
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Eltern, die sich trennen und die neue Beziehungen aufbauen: Welcher Stress für ein Kind hinter Änderungen in der Familienkonstellation stecken kann, erzählt der belgische Autor Bart Moeyaert am Beispiel von „Bianca“ (Hanser-Verlag, 132 Seiten, 14 Euro. Ab elf), einem Mädchen an der Schwelle zur Pubertät. Bianca lebt bei der alleinerziehenden Mutter, der kranke kleine Bruder Alan zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Und nun wollen auch noch der Vater und seine neue Freundin sie nicht mehr so oft sehen. Denn Bianca ist bockig, schwierig, rasend, wie die Mutter sagt. „Ich bin viel rasender, als sie denkt, aber mit einem Unterschied: Ich mache fast keinen Krach.“ Bart Moeyaert fühlt sich wunderbar ein in die Gedankenwelt eines sensiblen, verletzten Kindes, dessen Gehirn Situationen und Gefühle messerscharf und auf Hochtouren seziert, das aber nach außen verstockt wirkt. Doch als sich herausstellt, dass der neue Spielkamerad Alans der Sohn einer beliebten Serienschauspielerin ist und diese tatsächlich höchstpersönlich neben Bianca auf dem Sofa sitzt, scheinen sich viele Knoten zu lösen. Denn Bianca kann nicht nur die eigenen, sondern auch die Gefühle anderer auf eine Weise teilen, die sehr witzig ist, aber auch verblüffend klarsichtig. Sich mitteilen, sagen, was man meint und fühlt: Das ist es, was eine Familie zusammenhält.
Foto Loewe-Verlag
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Wie bunt Familien heute aussehen können, wie sehr sich unsere Vorstellung vom Zusammenleben parallel zu den Geschlechterrollen entwickelt hat, zeigt der italienische Autor Sandro Natalini in einem Bilderbuch, das lapidar „Familie“ (Loewe-Verlag. 32 Seiten, 14,95 Euro. Ab drei). heißt. Ob kinderreiche Hasenfamilie oder alleinerziehende Elefantenmama, ob intensive Bindung wie im Kängurubeutel oder Fernbeziehung wie bei den Pinguins, ob mit mehreren Mamas oder Papas wie bei den Seepferdchen oder adoptiert wie in der Vogelfamilie: So klar wie die Aussage ist die grafisch übersichtliche Gestaltung dieses Buchs. Egal, in welcher Konstellation: Familie heißt geteilte Freude, Vertrauen und Liebe füreinander. Oder mit den Worten von Sandro Natalini: Es sind unsere Herzen, die uns zur Familie machen.