Sommerlesetipps Die besten Bücher für den Urlaub
Reisen im Kopf kann einem niemand nehmen, egal wohin es geht. Unsere Kulturredaktion kennt einige lohnende Ziele.
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Mit dem richtigen Roman in der Hand, ist es eigentlich egal, wo die Hängematte hängt. Klicken Sie sich durch unserer Bildergalerie.
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Ich habe erst zweieinhalb Kapitel gelesen, bin aber jetzt schon völlig angefixt von diesem Buch, das ich zunächst nur aus journalistischem Pflichtgefühl aufgeschlagen hatte: „Hegel. Der Weltphilosoph“ von Sebastian Ostritsch (Propyläen, 26 Euro) führt frappierend nachvollziehbar in das Werk eines Denkers ein, das an sich dem Laien nun wirklich nicht leicht zugänglich ist. Cooler Autor, dieser Philosophie-Dozent von der Uni Stuttgart; solche Dozenten gab’s zu meinen Unizeiten leider nicht. Wer auch im Urlaub gern mal schlauer wird, liegt hier richtig. Oder beim neuen Roman des ukrainischen Autors Juri Andruchowytsch. „Die Lieblinge der Justiz“ (Suhrkamp, 23 Euro) erzählt vom tiefen Osten Europas, von Verbrechern und Galgenvögeln – und zwar von jenen vor dem Richterstuhl und jenen auf den Richterstühlen. Das ist komisch, versponnen, bitter und fast immer alles wahr. schl
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Mittenmang ins Käseglück der Markthallen von Saint-Malo wirft Jean-Luc Bannalec seinen Kommissar Dupin im neunten Band „Bretonische Spezialitäten“ (Kiwi, 16 Euro) der Krimireihe. Urlaub im Kopf für all jene, die 2020 aufs geliebte Hexagon womöglich verzichten. Den malouinischen Mordfall, der Dupin ein paar Marktstände weiter serviert wird, sowie weitere Verbrechen und noch mehr Lebensart verquirlt Bannalec alias Jörg Bong zu einer Lektüre so würzig-frisch wie eine bretonische Brise. Wer in Frankreich bleiben will, aber dunklere, von existenziellen Notlagen beschwerte Schwaden vorzieht, sollte zu Leïla Slimani greifen. Ob das mit dem Prix Goncourt gekrönte „Dann schlaf auch du“ (btb, 10 Euro) oder ihr Debüt „All das zu verlieren“ (Luchterhand, 22 Euro): Beide Romane führen hinein in die Verwerfungen der französischen Gegenwart – mittenmang. uh
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Im Zeitalter des Binge-Watching hat die Welt die Geduld verloren. Auch bei Büchern. Etwas durchhalten üben müssen Sie aber dennoch, wenn Sie ein Fan der irischen Autorin Sally Rooney („Gespräche mit Freunden“) sind, sperrig-schöne, an Jane Austen geschulte Prosa und eigenwillige Liebesgeschichten mögen. Der neue Rooney-Roman „Normale Menschen“ erscheint nämlich erst am 17. August auf Deutsch (Luchterhand-Literaturverlag, 20 Euro). So lange wollen Sie nicht warten? Dann versuchen Sie es doch mit dem Original: „Normal People“ (Faber & Faber, ab ca. 6 Euro). Rooneys Sprache ist so präzise, ihr Satzbau so knapp, dass das Buch auch für im Englischen wenig geübte Leser leicht verständlich sein sollte. Dass man den Roman zudem schon jetzt als TV-Serie beim Streamingkanal Starzplay binge-watchen kann, wird hier lieber nicht verraten. gun
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Dort wo Nicholas Mathieus neuer Roman „Rose Royal“ (Hanser, 19 Euro) spielt, will man als Tourist vielleicht gar nicht unbedingt hin. Doch für Leser gibt es keinen besseren Ort. Es sind Verhältnisse, die man erst aushält, wenn man sie sich ordentlich schöntrinkt. Am besten in der Bar Royal, in der die immer noch ziemlich attraktive Rose nach der Arbeit hin und wieder ein paar Bierchen kippt. Sie hat sich recht und schlecht mit ihrem Leben arrangiert, eine Ehe und viele eher enttäuschende Beziehungen überlebt. Eigentlich braucht sie das nicht mehr. Dann kommt dieser Typ mit dem markanten Gesicht, und die Dinge nehmen ihren Lauf. Jeder Satz dieses Buchs sitzt wie eine Ohrfeige und man kann sich ihm so wenig entziehen wie Rose ihrem neuen Liebhaber. Auch die Sächsische Schweiz in Thilo Krauses „Elbwärts“ (Hanser, 22 Euro) ist ein lohnendes Ziel – wobei sich hier ebenfalls die Wege des Glücks zwischen Romanfiguren und Leser trennen. kir
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Im November wählen die USA einen neuen Präsidenten. Zweifellos eine Schicksalswahl. Deshalb schadet es nicht, sich in diesem Sommer den Vereinigten Staaten literarisch zu nähern. Romane lassen häufig am besten verstehen, wie ein Land tickt, weil wir aus ungewohnter Perspektive auf das Vertraute blicken können. Mithilfe der US-Schriftstellerin Téa Obreht zum Beispiel, 1985 in Jugoslawien geboren. In „Herzland“ (Rowohlt, 24 Euro) erzählt sie den US-Gründungsmythos aus der Perspektive eines vermeintlichen Türken, der auf seinem Kamel durch den Wilden Westen reitet, und einer Kleinzeitungsverlegerin, die sich den Widrigkeiten ihrer verdorrenden Heimatstadt entgegenstellt. Der schwarze Autor Colson Whitehead blickt in „Die Nickel-Boys“ (Hanser, 23 Euro) auf die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre aus der Perspektive eines schwarzen Jungen, der dem Rassismus in einer brutalen „Besserungsanstalt“ ausgesetzt ist. msr
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Hätte Beethoven geahnt, dass ihm ein kleines Virus die gigantische Party zum 250. Geburtstag versauen würde, dann hätte er sicherlich ein Stück komponiert, das „Die Wut über den verlornen Groschen“ weit in den Schatten gestellt hätte. Im Rückblick hat Albrecht Selge, ohne es zu wissen, mit „Beethovn“ (Rowohlt, 22 Euro) ein literarisches Pendant zum epidemisch aufgewühlten 2020 geschrieben: ein Versteck- und Rätselspiel, eine Spurensuche, die – darin vielen Werken Beethovens ähnlich – durch und durch Durchführung ist, also ein Spiel mit Motiven, exzentrisch, selbstgenügsam. Denjenigen, die nach der wundersam verwirrenden Lektüre erschöpft sind, sei Della Owens’ Debütroman ans Herz gelegt: Das Naturpanorama in „Der Gesang der Flusskrebse“ (Hanserblau, 22 Euro) ist berührendes Wortkino mit einer wunderbar wütenden und liebenden Protagonistin. ben
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„Der Aal ist ein Fisch, der die Voraussetzungen des Fischseins überschreitet. Vielleicht weiß er nicht einmal, dass er ein Fisch ist.“ So philosophisch kann Biologie sein, zumindest in Patrik Svenssons „Evangelium der Aale“ (Hanser, 22 Euro), einer Mischung aus Sachbuch und Belletristik. Was der Aal, dieses rätselhafte Tier, in den Tiefen der Sargassosee wirklich treibt, das bleibt zwar weiter unbeantwortet, doch es sind ja gerade die Tiefen, die faszinieren. Dort hinab taucht auch Valerie Fritsch in ihrem Roman „Herzklappen von Johnson & Johnson“ (Suhrkamp, 22 Euro), zu den Ursprüngen eines Gefühls von Traurigkeit. Im Roman ist es „ein unbestimmter Hunger, eine unbestimmte Last“, die der Protagonistin Alma von der Großelterngeneration übertragen wird, ein Schmerz, der den Großvater in bleiernes Schweigen verfallen lässt und seinen Urenkel mit der seltenen Krankheit der absoluten Schmerzunempfindlichkeit befällt. Die Fotokünstlerin und Autorin Valerie Fritsch, Jahrgang 1989, arbeitet mit gewaltigen Sprachbildern, die noch lange echohaft nachhallen. ema
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Ein Land geht unter, Lebensentwürfe verfallen – intim und sprachmächtig erzählt Lutz Seiler in „Stern 111“ (Suhrkamp, 24 Euro) von Carl Bischoff, dessen gut situierte Eltern 1989 abrupt von Thüringen in den Westen ausreisen. Der gescheiterte Student bleibt allein zurück und entflieht seiner Erstarrung gen Ostberlin. In der Hausbesetzerszene der verschwindenden DDR taucht er tief ein in ein ihm unbekanntes Leben, das in Seilers kunstvoll gesetzten Worten mit allen Sinnen fühlbar wird – genau wie der Riss, der bleibt. Wer es vergnüglicher mag, ist beim britischen Satiriker Terry Pratchett gut aufgehoben. Er hat alle Mythen geplündert, um Defizite der Menschheit humoristisch offenzulegen. In „Einfach göttlich“ (Goldmann, 10 Euro) beschreibt er die Mechanik der Religion in Sätzen wie diesem: „Schuld war das Schmiermittel, in dem sich die Räder der Autorität drehten.“ ha