Vor 150 Jahren hat in Wien die Weltausstellung stattgefunden. Das globale Großereignis im Jahr 1873 markiert den Beginn des Tourismus an der Donau und prägt die Stadt bis heute.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Die Idee kam von Franz Joseph I. Der habsburgische Kaiser wünschte sich ein hübsches Fest zum 25. Jubiläum seiner Thronbesteigung. Warum nicht alle einladen? In einem Erlass vom 24. Mai 1870 genehmigte er die „Abhaltung einer internationalen Ausstellung von Erzeugnissen in der Landwirtschaft, der Industrie und der bildenden Künste“.

 

Nach Chicago, London und Paris präsentierte sich die Welt zum vierten Mal in einer gemeinsamen großen Schau – 1873 in Wien. Im 19. Jahrhundert waren Weltausstellungen eine tolle Sache. Damals konnte man sich kaum anders über fremde Kulturen informieren. Es gab noch kein Internet, Reisen war teuer, langwierig und beschwerlich. Die Weltausstellung in Wien sollte eine Exposition nie da gewesenen Ausmaßes werden.

Die Rotunde war damals die größte Kuppel der Welt

Dafür wurde am Prater gebaut wie verrückt. Man errichtete eine ganze Stadt in der Stadt, bestehend aus rund 200 Gebäuden mit dem pompösen Industriepalast als Blickfang. Dessen mächtige Rotunde war damals der größte Kuppelbau der Welt. Sie hatte eine Spannweite von imposanten 108 Metern. Zum Vergleich: Die Kuppel des Petersdoms misst „nur“ etwas mehr als 42 Meter.

53 000 Aussteller aus 35 Ländern waren dabei, die Schau lief zwischen Mai und November 1873. Besonders gespannt waren die Menschen auf die Beteiligung Japans. Das Land hatte sich zuvor aus Angst, kolonialisiert zu werden, jahrzehntelang komplett abgeschottet und war im Ausland völlig unbekannt. Nach der Abschaffung des alten Feudalsystems präsentierten sich die Japaner als moderner Staat. Sie zeigten vor allem ihre Architektur – und brachten eine seltsame Frucht namens Sojabohne mit nach Europa.

„Vieles war zum Startschuss noch halb im Bau. Heute würde man da von einem Soft Opening sprechen“, sagt die auf Kunstgeschichte spezialisierte Gästeführerin Alexa Brauner und lacht. „Wir gehören zu den wenigen, die fertig waren“, erzählt Leonid Rath, einer der drei Geschäftsführer der in sechster Generation familiengeführten Firma Lobmeyr. Der Produzent hochwertiger Glaswaren blickt auf eine 200-jährige Geschichte zurück. Die Kristalllüster in Schloss Schönbrunn und in der New Yorker Metropolitan Opera stammen von Lobmeyr. Im Stammhaus des k. u. k. Hoflieferanten in der Kärntnerstraße, nur einen Steinwurf vom Stephansdom entfernt, steht zur Erinnerung an die Weltausstellung ein Tisch mit den Exponaten von damals. Man zeigte Gläser und Geschirr im damals angesagten exotischen Stil.

Die Expo war ein Flop

Der Erfolg der technischen und kunsthandwerklichen Leistungsschau war nicht ganz so groß wie erhofft. Gleich zur Eröffnung überschwemmten sintflutartige Regenfälle das Gelände beim Prater. Ein Börsencrash drückte auf die Stimmung, zu allem Überfluss brach in der Stadt auch noch die Cholera aus, was viele Menschen davon abhielt, nach Wien zu reisen. In sechs Monaten kamen nur sieben Millionen Besucher. Man hatte auf über 20 Millionen gehofft. Am Ende blieb ein sattes Defizit im Staatshaushalt.

Doch die Weltausstellung hatte auch ihr Gutes: Sie begründete Wiens Tradition als Messe- und Kongressstadt und brachte viele technische Innovationen. Man müsse die Schau als Teil eines riesigen Stadtentwicklungsprojekts begreifen, findet Alexa Brauner. „Die Weltausstellung war die Initialzündung. Seither denkt man in Wien groß“, sagt die Kunsthistorikerin.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Wien rasant im Umbruch, an allen Ecken und Enden wurde gewerkelt. Der Kaiser ließ die Stadtmauer abreißen und an der Stelle des Bollwerks einen neuen Prachtboulevard errichten. Es wurden neue Bahnhöfe und viele Kilometer Bahntrassen gebaut. Diese touristische Infrastruktur komplettierten Hotels, die bislang in Wien Mangelware waren. Heute noch existierende Luxusherbergen wie das Imperial und das Hansen Kempinski wurden gegründet. An der neuen Ringstraße eröffnete das Café Landtmann, in äußerst günstiger Lage direkt neben dem Burgtheater und gegenüber dem Rathaus.

Damals baute man auch eine Wasserversorgung, die erste Hochquellenleitung, die bis heute über 95 Kilometer frisches Wasser aus dem Rax- und dem Schneeberggebiet in Niederösterreich und der Steiermark nach Wien bringt. Damals eine technische Meisterleistung. „Das Wasser braucht 36 Stunden und hat eine Temperatur von genau acht Grad Celsius“, sagt Alexa Brauner.

Auf dem Ausstellungsgelände befindet sich heute die Wirtschaftsuniversität

Viele Exponate gingen nach Ende der Ausstellung als Schenkungen an die Wiener Museen. Im Museum für angewandte Kunst (MAK) sieht man Ausstellungsstücke aus Ägypten und Japan. Ein Modell einer japanischen Residenz steht noch heute im Weltmuseum, das in zwei Räumen seiner Dauerausstellung der Megaschau von 1873 huldigt.

Ansonsten ist 150 Jahre nach der Expo nicht mehr viel zu sehen. Die Pavillons wurden abgerissen, die Rotunde der großen Halle brannte 1937 ab. Auf dem ehemaligen Ausstellungsgelände befindet sich jetzt der Campus der Wirtschaftsuniversität. An die alte Geschichte erinnern nur noch Straßenschilder. Im 2. Wiener Bezirk beim Prater gibt es eine Rotundenallee und eine Ausstellungsstraße. Nur weiß kaum einer, dass damit die Weltausstellung vor 150 Jahren gemeint ist.

Info

Anreise
Mit dem Zug ab Stuttgart nach Wien, www.bahn.de.

Unterkunft
Das mondäne Hotel Imperial wurde 1873 pünktlich zur Weltausstellung eröffnet und gehört bis heute zu den ersten Häusern am Platz. Das ehemalige Privatpalais des Herzogs von Württemberg glänzt mit ausgezeichnetem Service. DZ ab 500 Euro, www.marriott.com.Wer’s lieber modern und verspielt mag, checkt im 25Hours Hotel ein. Hier tauchen die Gäste in die bunte Welt der Zirkusartisten ein, und das ganz nah am Museumsquartier. DZ ab 169 Euro, www.25hours-hotels.com.

Essen und Trinken
Im Café Landtmann am Ring, ebenfalls gegründet 1873, treffen sich Politiker und Künstler, www.landtmann.at.Sehen und gesehen werden: Ein Besuch im Schwarzen Kameel (gegründet 1618!) gehört zum Pflichtprogramm eines Wienbesuchs, www.kameel.at.

Aktivitäten
Museum für angewandte Kunst, geöffnet Di.–So., 10–21 Uhr, Eintritt 15 Euro, ermäßigt 12 Euro, www.mak.at.Weltmuseum Wien, geöffnet täglich außer Mittwoch 10–18 Uhr, Eintritt 16 Euro, www.weltmuseumwien.at.

Allgemeine Informationen
Wien Tourismus, www.wien.info