Ein völliges Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen stößt selbst bei konservativen Amerikanern auf Ablehnung. Für die Republikaner ist das eine schmerzliche Erkenntnis.

Nicht wenige konservative Wähler in den USA halten Ron DeSantis für die bessere Version von Donald Trump. Der Gouverneur von Florida redet geschliffener, hat Manieren und ist deutlich weniger impulsiv. Zudem hat DeSantis die Fähigkeit, strategisch zu denken und zu handeln – zuletzt beim innerparteiischen Wahlkampfauftakt der Republikaner. Während Trump bei seinen Auftritten die immer gleichen Parolen anstimmt, passte DeSantis seine Botschaft fein seinem Publikum an.

 

In Iowa hatte gerade ein Gericht den Versuch seiner Gouverneurskollegin Kim Reynolds vereitelt, ein ähnlich scharfes Abtreibungsverbot zu erlassen wie DeSantis in Florida. Bei seinem Auftritt prahlte DeSantis damit, dass bei ihm zu Hause Abtreibung praktisch nicht mehr möglich ist. In New Hampshire hingegen, einem liberal-libertären Staat, ließ er das Wort Abtreibung gar nicht erst fallen.

Das Abtreibungsurteil ist unpopulär

Das zeigt, wie schwierig sich die amerikanischen Konservativen tun, wenn es um das Thema Abtreibung geht. Denn die Monate seit dem „Dobbs“-Urteil vor dem Verfassungsgericht, das die Hoheit über das Abtreibungsrecht an die Bundesstaaten delegierte, haben gezeigt, dass sich das konservative Amerika bei dem Thema alles andere als einig ist. Das zeigte sich für die Republikaner schmerzlich bei den Zwischenwahlen im vergangenen Herbst. Die Regierungspartei, in diesem Fall die Demokraten, müssen bei Zwischenwahlen traditionell herbe Einbußen hinnehmen. Doch die Schlappe für Joe Biden hielt sich in Grenzen. Es gelang den Demokraten sogar, die Mehrheit im Senat zu behalten.

Analysten sind sich einig, dass das Abtreibungsurteil des von Trump besetzten Richtergremiums selbst unter Konservativen unpopulär ist. Die Mittelschicht in den Vororten, darunter viele Frauen, strömten in Massen an die Urnen und wählten die Demokraten. Noch bei den Präsidentschaftswahlen zwei Jahre zuvor hatten viele von ihnen Trump gewählt. Die Mehrheit der Amerikaner will das Recht auf Abtreibung offenbar erhalten. Positionen wie die von DeSantis sind den meisten Wählerinnen und Wählern zu radikal. Die Demokraten haben das erkannt. Und so gibt sich die Regierungspartei als Front zur Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts der Frauen. Nur Stunden nachdem Joe Biden seine erneute Kandidatur bekannt gab, hielt seine Vizepräsidentin Kamala Harris eine Brandrede zum Thema Abtreibung. „Dies ist der Moment für uns, um aufzustehen und um unsere Rechte zu kämpfen“, sagte sie in Washington.

Die Abtreibung wird Wahlkampfthema

Das Thema Abtreibung dürfte ein zentrales Thema des Präsidentschaftswahlkampfs 2024 sein. Die Republikaner sind gewarnt: Eine zu radikale Position dürfte keinem Kandidaten gut bekommen. Aber auch von einem demokratischen Sieg dürfen sich Amerikas Frauen nicht zu viel versprechen. Das Dobbs-Urteil steht erst einmal. Und ein Bundesgesetz zur Sicherung des Abtreibungsrechts ist angesichts der extremen Polarisierung von Washington utopisch.