In Brasilien ist die Zahl der an Mikrozephalie erkrankten Babys dramatisch angestiegen. Übertragen wird die Krankheit durch Mückenstiche.

In Brasilien sind die Gesundheitsbehörden aufs höchste alarmiert: Immer mehr Babys kommen mit zu kleinen Schädeln zur Welt, sie werden ihr Leben lang behindert sein. Auslöser dieser Welle an Mikrozephalie ist das Virus Zika, das offenbar erst im vergangenen Jahr eingeschleppt wurde.

 

Gesunde Neugeborene haben einen Schädelumfang von zwischen 34 und 37 Zentimetern. Liegt er unter 33, ist die Gefahr groß, dass das Kind schwere Behinderungen haben wird, nicht sprechen oder laufen kann oder andere schwere motorische Einschränkungen erleidet. Im Mittel der vergangenen Jahre schwankt die Zahl dieser Geburtsfehler, die meist schon während der Schwangerschaft entdeckt werden, um 150 pro Jahr – aber dies Jahr sind bereits 1248 Fälle registriert, also etwa achtmal so viel, gaben die Behörden kürzlich bekannt. Die Zahlen sind sprunghaft angestiegen: Eine Woche zuvor war noch von 739 Missbildungen die Rede. Schwerpunkt ist der Nordosten Brasiliens; allein im Bundesstaat Pernambuco wurden 646 Fälle erfasst. Mittlerweile breitet sich die Epidemie auch in anderen Regionen aus. In Rio de Janeiro sind erste Fälle registriert worden, ebenso im Südwesten Brasiliens.

Mittlerweile sind die Behörden überzeugt, dass die Epidemie vom Virus Zika ausgelöst wird, das bisher als nicht sehr gefährlich eingeschätzt wurde. Bisher ist es in Brasilien praktisch unbekannt gewesen. Zika ist zurzeit in 18 der 26 Bundesstaaten nachgewiesen, Mikrozephalie in 14.

Das Virus ist wenig erforscht

Der Zusammenhang zwischen Zika und Mikrozephalie ist wissenschaftlich weitgehend unerforscht. Aber seitdem immer mehr Föten oder Babys mit Mikrozephalie registriert werden, die Zika in sich tragen, gilt der Zusammenhang als nachgewiesen. „Es ist wie damals bei Aids“, sagte der Gesundheitsminister des Bundesstaates São Paulo, David Uip, „wir wissen so gut wie nichts über das Virus, wir lernen jeden Tag neu.“

Das Virus wurde 1947 bei Gelbfieber-Forschungen an Affen in den Zika-Wäldern von Uganda entdeckt. Fünf Jahre später stellten ostafrikanische Ärzte Zika-Infektionen bei Menschen fest. Ende der Sechziger tauchte das Virus in Westafrika auf, 2007 auf der mikronesischen Insel Yap – und damit das erste Mal außerhalb von Afrika. 2013 trat Zika massenhaft in Französisch-Polynesien auf. Im Februar 2014 wurde ein Zika-Fall auf den Oster-Inseln registriert, und dies Jahr trat das Virus dann auch in Mexiko und Kolumbien auf.

Dass das Virus mit Mikrozephalie einhergeht, ist bisher augenscheinlich auf Brasilien beschränkt. Ob es tatsächlich ein womöglich aus Ozeanien stammender Besucher der Fußball-WM letztes Jahr war, der Zika eingeschleppt hat, wird man kaum noch herausfinden können. Jedenfalls muss der Träger des Virus in Brasilien von einer Mücke gestochen worden sein, die für die Verbreitung gesorgt hat. Dafür machen die brasilianischen Mediziner Aedes aegypti verantwortlich – die Ägyptische Tigermücke oder Gelbfiebermücke, die Dengue und Chikungunya überträgt, zwei Fiebererkrankungen, die sich ähneln.

Die Zahl der Mücken nimmt laufend zu

Damit nimmt das Zika- und das Mikrozephalie-Problem eine noch gespenstischere Dimension an, als die Zahlen der Fälle nahelegen. Denn die Stechmücke ist so gut wie überall. Wo stehendes Wasser und große Hitze ist, findet sie ideale Brutmöglichkeiten. Dengue ist in Brasilien zurzeit wieder auf dem Vormarsch. 2014 wurden gut eine halbe Million Fälle gemeldet, bis Mitte Oktober 2015 waren es jedoch 1,4 Millionen.

Vermutlich tritt Mikrozephalie auf, wenn die werdende Mutter in den ersten Schwangerschaftsmonaten von der Mücke gestochen wird. Zika greift dann den Fötus an und verhindert die normale Entwicklung des Gehirns – wie das genau geschieht, ist nicht klar. Die Behörden empfehlen werdenden Müttern, den Körper möglichst zu bedecken und Mückenspray und Moskitonetze zu benutzen. Die Gelbfieber-Mücke unter Kontrolle zu bekommen wäre die eigentliche Lösung. Aber viele Hoffnungen haben die Seuchenmediziner offenbar nicht. „Seit 30 Jahren reden wir über die Kontrolle der Mücke“, sagte der Virologie-Professor Mauricio Nogueira der brasilianischen Presse, „aber jedes Jahr ist es nur noch schlimmer als im Jahr davor“.