Der Ludwigsburger Bahnhof soll ein Wohlfühlbahnhof werden. Der Elektronikriese Saturn ist ausgezogen. Jetzt gibt es viel Platz für Meditation und Massage.

Ludwigsburg - Hand aufs Herz: Wer ist schon mal mit der Eisenbahn nach Paris, Hamburg oder Castrop-Rauxel gefahren und dort als erstes ins Reisezentrum gerannt? Eben. Das macht kein Mensch. Es sei denn, er hat vergessen, das Rückreiseticket zu buchen. Von Reisenden, die in Ludwigsburg ankommen, wird das aber erwartet. Sie sollen einen Kurzstopp an den Ticketschaltern einplanen, so möchte es der Eigenbetrieb Tourismus & Events. Denn seit einiger Zeit sitzt rechts von den DB-Mitarbeitern eine weitere Person hinter einem kleinen Pult mit einem umso größeren „I“ wie „Information“. Und diese Person ist begierig, Ankommenden zu erzählen, wie toll Ludwigsburg ist. Das heißt, wir vermuten, dass sie ganz arg begierig ist, denn meist sitzen diese armen Frauen nur da und gucken Löcher in die Luft.

 

Offenbar will kaum ein Reisender wissen, was es mit der Stadt und ihrer barocken Geschichte auf sich hat. Denn, es ist natürlich zu dumm, die Fremden wissen gar nicht, dass es diesen Service gibt. Woher auch? Den ersten Hinweis darauf können sie erst sehen, wenn sie direkt davor stehen.

Ausgedacht haben sich das kluge Leute – als Teil des großen, neuen Tourismuskonzepts samt Markenbranding. Es sei außerdem ein gewichtiger Beitrag zum Wohlfühlbahnhof, heißt es. Wie, Sie wissen nicht, was das sein soll? Das ist ganz einfach: Wo andere Städte einen Hauptbahnhof haben, da hat Ludwigsburg einen Wohlfühlbahnhof. Schließlich ist in der Barockstadt immer alles ein bisschen besonders. Gäbe es einen Flughafen, wäre es sicher ein – Sie ahnen es – Wohlfühlflughafen.

Aber was unterscheidet eigentlich einen Wohlfühlbahnhof von den schnöden, schmutzigen Umschlagplätzen, mit denen andere Städte geschlagen sind? Bisher noch nichts. Aber das ficht im Rathaus niemand an. Hier denkt man: Hauptsache wir haben einen Namen, der nach Entschleunigung klingt, das ist schon mal die halbe Miete. Natürlich hat es den einen oder anderen Versuch gegeben, Wohlfühlangebote in den Bahntempel zu bringen, aber sie werden entweder nicht wahrgenommen, weil sie niemand findet – siehe: Fremdenverkehrsinfo – oder sie funktionieren nicht wie die ultramodernen Fahrstühle mit Supertechnologie, die genauso anfällig sind wie ihre versifften Vorgänger.

Und nun sind dem Bahnhof auch noch die Ankermieter abhanden gekommen: am Westportal das Café, am anderen Ende der Elektronikkonzern Saturn. Aber was soll’s, wir möchten uns hier doch nur wohlfühlen! Dazu braucht’s weder Smartphones und Waschmaschinen noch Kaffee – der ist eh ungesund. Eigentlich steht damit doch alles zum besten, der Zeitpunkt ist günstig für eine völlig neue Weichenstellung in Richtung Wellness.

Man könnte in den leeren Räumen des Saturn ein Spa einrichten – mit Meditations- und Massageräumen und etwas esoterischem Schnickschnack drumherum. Das fügte sich prima ein, denn ein Fitness-Studio gibt es schon im Haus. Man müsste dann nur noch die unterbeschäftigten Leute von der Touristeninformation am Bahnschalter zu Bademeistern umschulen und im Kaffeemarkt einen Whirlpool samt Sauna einbauen. Die Halle dazwischen könnte man mit Entspannungsmusik berieseln und mit einer aromatischen Mischung aus Räucherstäbchen und Duftkerzen besprühen. Und wenn wir schon mal dabei sind: den Namen Wohlfühlbahnhof sollten wir auch abschaffen. Man könnte das Ganze zum Beispiel Wellness-and-Relax-Resort nennen. Das klingt modern und man hätte damit auch die letzten Erinnerungen an Hektik und Stress abgestreift. Bleibt nur noch die Frage: Was tun mit diesen lästigen Zügen?