Der Kreis dehnt sich zusehends aus. Ganz am westsibirischen Rand bibbert Vaihingen an der Enz um seine blanke Existenz.

Expansionskurs - Im Zeitalter abgeklärter Aufklärung weiß jeder dahergelaufene Universalgelehrte: das Universum dehnt sich aus. Ständig, auch jetzt. Die lokalterrestrischen Folgen dieser Bewegung werden langsam sichtbar – der Landkreis Ludwigsburg, der ja ohnehin in praktisch allen Belangen der Größte ist, wächst und wächst.

 

Wie so oft haben die Kollegen der Zeitung mit den großen Buchstaben hier als Erste Lunte gerochen. Unlängst wurde die Kreisexpansion ganz beiläufig erwähnt in einem Artikel über den „fliegenden Tierarzt von Sachsenheim“. Steffen Kappelmann, der übrigens auch CDU-Landtagskandidat werden möchte, hat sich bekanntlich einen Ultraleichthubschrauber angeschafft. Und zwar, als ihm selbst bewusst geworden sei, wie groß der Kreis wirklich ist. Er habe gerade ein Pferd in Erligheim geimpft, „da gab es einen Notfall im 309 km entfernten Remseck“. Kein Wunder, dass im selben Blatt erst in der vergangenen Woche der Ort Kleinaspach, Heim- und Wirkungsstätte der Schlagerphilosophin Andrea Berg, dem Kreis Ludwigsburg zugeschlagen wurde.

Doch wie immer bei unkontrollierten Expansionen: Freud und Leid liegen nur wenige Tausend Kilometer voneinander entfernt. Nehmen wir nur den Altkreis Vaihingen. Dieses amorphe Gebilde hat es so lange versäumt, sich auszudehnen, bis es 1973 schließlich platzte. Die kümmerlichen Reste wurden den umliegenden gefräßigen Landkreisen zum Fraß vorgeworfen.

Demo? Außer beim Krämermarkt!

Heute befindet sich die Stadt Vaihingen/Enz, ehemals blühende Metropole mit Kreisfürstenpalast, Hunderte Kilometer westlich der Hauptstadt Ludwigsburg. Und hier, am westsibirischen Ortsrand, hat sich die Stadt zu einer Insel der Unglückseligen entwickelt. Altkreis mit Autokennzeichen VAI? Weg! Arbeitsagentur? Weg! Mieter im Schloss Kaltenstein? Weg! Und jetzt hat der Landrat den Vaihingern zwar wieder ihr Nummernschild bewilligt, aber nur, weil er wusste, dass er demnächst auch noch das Krankenhaus schließen will.

Immerhin wächst ein zartes Pflänzchen heran in diesem isolierten Städtchen: der Bürgerprotest! Neuerdings wird, besser spät als nie, gegen die Schließungspläne demonstriert. Unter der Federführung der örtlichen FDP gehen jeden Mittwoch rund 50 Menschen auf den Marktplatz. Jeden Mittwoch? Nein! Wenn Krämermarkt ist, fällt die Demo aus. Man muss es schließlich nicht übertreiben mit der Revolution. Anstand muss sein, wusste schon Lenin. Bevor ein Vaihinger einen Bahnhof stürmt, sollte er eine Bahnsteigkarte kaufen.

Auch die Polizei expandiert

Kaufen – nicht klauen, wohlgemerkt! Delikte aller Art empfehlen sich aktuell nicht. Denn die Polizei im Kreis reagiert offenbar mit massiver Personalexpansion auf die territorialen Verschiebungen. Am Osterwochenende hat ein besoffener 32-Jähriger in Freiberg einen Indoorspielplatz geplündert, oder besser: ein Sparschwein geschlachtet, in dem ein paar läppische Euros waren. Und die Polizei? Setzte mit sechs Streifenwagenbesatzungen und einem Hubschrauber zur Verfolgung an und brachte den Strolch flugs zur Strecke. Erinnert sich noch jemand an die wilde Verfolgungsjagd Ende 2013, als die Polizei zwei 19-Jährige aus Markgröningen trotz Heerscharen von Beamten und Warnschüssen nicht stoppen konnte? Mit zwölf Sonderkommandos, acht Helikoptern und 85 Streifenwagen wüsste man so was inzwischen zu verhindern. Wäre ja auch gelacht, wenn selbst die Tierärzte schon mit dem Hubi unterwegs sind.