Den Amtsantritt von Irans neuem Präsidenten Hassan Rohani am Sonntag verfolgt das iranische Volk mit Spannung. Der 64-Jährige will das international isolierte Land mit einem neuen Politikstil führen. Doch er trifft auf schwierige Realitäten.

Teheran - Noch nie in der letzten Dekade ist ein iranischer Präsident mit so viel Spannung und so vielen Vorschusslorbeeren empfangen worden wie der 64-jährige Hassan Rohani. Am 14. Juni konnte Rohani seine fünf erzkonservativen Konkurrenten bereits im ersten Wahlgang aus dem Feld schlagen. Und so viel steht schon jetzt fest – sein Stil wird ein völlig anderer sein als der seines Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad.

 

Inwieweit dies auch für seine Politik gilt, bleibt allerdings abzuwarten. Vor allem drei Themen hatten dem intellektuellen Geistlichen den überraschend klaren Sieg beschert – seine Kritik an der großmäuligen Außen- und Atompolitik, seine Ankündigung, die extreme internationale Isolierung des Iran mit ihren verheerenden Folgen für die Wirtschaft anzupacken, und seine Versprechen, die alles erstickende, paranoide Kontrolle des Bürgers durch den Staat zu lockern.

Vertreter aus 40 Staaten nehmen an der Amtseinführung teil

Demonstrativ tummelt sich Rohani seither in den sozialen Netzwerken, auf Twitter und Facebook. Das Internet zu filtern schaffe nur Misstrauen zwischen Volk und Regierung, twitterte er und räumte ein, viele Iraner würden lieber ausländische Fernsehkanäle schauen als das eigene Staatsprogramm. Vertreter von 40 Staaten würden bei seiner Vereidigung am 4. August dabei sein, schrieb er diese Woche, „zum ersten Mal, dass ausländische Gäste an einer präsidialen Amtseinführung im Iran teilnehmen“.

Rohanis Kabinett wird nach iranischen Vorabberichten viele neue Gesichter haben, jedoch keinen profilierten Reformer. Die meisten der Männer sind in Großbritannien oder den USA ausgebildet. Die wohl einzige Frau am Kabinettstisch wird Chefin des neu gegründeten Ministeriums für Frauenangelegenheiten.

Er wolle mehr Arbeitsplätze für Frauen schaffen, hatte Rohani schon im Wahlkampf versprochen und zugesagt, die wachsende Zahl alleinerziehender Mütter sozial besser abzusichern. Frauen müssten viel mehr am Leben der Gesellschaft teilnehmen können, forderte er, das gelte auch für Sportereignisse. So dürfen weibliche Fans iranische Fußballstadien bis jetzt nicht als Zuschauerinnen betreten.

Der designierte Außenminister hat beste Kontakte in die USA

Die Wahl des designierten Außenminister Mohammad Javad Zarif gilt als klares Signal an die Vereinigten Staaten. Niemand hat bessere Kontakte in die politische Klasse Washingtons als der ehemalige Botschafter Irans bei den Vereinten Nationen, der im Jahr 2007 von Ahmadinedschad abberufen wurde. Promoviert an der Universität von Denver war der Karrierediplomat an mehreren Geheimverhandlungen mit den USA nach dem 11. September 2001 und vor der US-Invasion im Irak 2003 beteiligt. Damals war Teheran noch zu einem umfassenden Atomkompromiss bereit.

„Unser politisches Hauptziel ist ein konstruktiveres Verhältnis mit der übrigen Welt“, erklärte Rohani auf seiner ersten Pressekonferenz wenige Tage nach seiner Wahl. Doch dazu muss er zu Hause heiße Eisen anpacken, wirkliche Transparenz bei dem Atomprogramm schaffen und den Weg zu konstruktiven Verhandlungen über die Urananreicherung ebnen. 2005 hatte Iran 650 Zentrifugen, heute sind es 21 000, von denen 9000 rund um die Uhr laufen. Inzwischen besitzt Teheran genug spaltbares Material für sechs Atomsprengköpfe. „Immer mehr Zentrifugen rotieren und immer mehr Fließbänder stehen still, weil die Sanktionen uns Teile und Materialien vorenthalten“, hatte der neue Präsident im Wahlkampf argumentiert.

Das Parlament wird von Erzkonservativen beherrscht

Doch Rohani ist trotz seines Mandats an den Wahlurnen nicht die höchste Machtinstanz im Iran. Der Oberste Revolutionsführer Ali Chamenei, der mit dem neuen Präsidenten seit ihrer gemeinsamen Wehrdienstzeit vor 40 Jahren befreundet ist, reklamiert in allen Fragen der Außen- und Atompolitik das letzte Wort. Zudem unterstehen ihm die Revolutionären Garden, die sich im letzten Jahrzehnt als Staat im Staate entwickelt haben. Chamenei rammte kürzlich noch einmal die Pflöcke ein. Die Vereinigten Staaten seien in ihrem Verhalten nicht ehrlich, erklärte er. Er sei „nicht sehr optimistisch“ für bilaterale Gespräche mit Washington, schließe sie aber auch nicht kategorisch aus.

Das Parlament wird ebenfalls von Erzkonservativen beherrscht, die sich jedem Ausgleich mit dem Westen und allen Konzessionen in der Atompolitik entgegenstemmen. Wasser auf die Mühlen der iranischen Skeptiker und Hardliner goss am Mittwoch das US-Repräsentantenhaus, als es vier Tage vor Rohanis Amtseinführung mit überwältigender Mehrheit eine neue Boykottrunde verabschiedete.

Die Bevölkerung hat die Nase voll von der Konfrontationspolitik

Dagegen hat die iranische Bevölkerung in ihrer Mehrheit die Nase voll von der endlosen Konfrontationspolitik. Die Wirtschaft liegt wegen der internationalen Sanktionen am Boden. Die Währung ist ruiniert, die Inflation liegt bei 42 Prozent, die Ersparnisse vieler Iraner sind weg, im Staatshaushalt klaffen Riesenlöcher, weil die Islamische Republik ihr Öl nicht mehr loswird. Sogar von ausländischen Stipendien sind junge hochbegabte Iraner inzwischen abgeschnitten, weil sie die Gebühren für Bewerbungsunterlagen über keine inländische Bank mehr ins Ausland überweisen können. Die Islamische Republik ist praktisch vom gesamten internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten.

Und auch Rohani ist nach den ersten Briefings für seine neue Regierung klar, welche nahezu unlösbare Aufgabe vor ihm liegt. „Die über Jahre angehäuften Probleme lassen sich nicht innerhalb weniger Monate beseitigen“, bekannte er kürzlich in einer Rede vor hohen Klerikern. Trotzdem bleibe er optimistisch, „aber wir müssen viel Geduld haben“.

Kritik aus Israel: Wirbel um Rohani-Interview

Kritik
: Zwei Tage vor seiner Amtseinführung hat der iranische Präsident Hassan Rohani mit Äußerungen über Israel Kritik ausgelöst. Die iranische Nachrichtenagentur ISNA zitierte Rohani am Freitag mit den Worten: „Das zionistische Regime ist seit Jahren eine Wunde im Leib der muslimischen Welt und muss entfernt werden.“ Damit würde Rohani die gegen Israel gerichtete Rhetorik seines Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad fortsetzen.

Richtigstellung
: Allerdings berichtete das staatliche Presse-TV später, Rohani sei von nicht autorisierten Nachrichtenagenturen falsch zitiert worden. Der Sender verbreitete einen Redeausschnitt, in dem Rohani während einer Solidaritätskundgebung mit den Palästinensern anlässlich des Kuds-Tages sagte: „In unserer Region gab es jahrelang eine Wunde in der muslimischen Welt unter dem Schatten der Besetzung des heiligen Landes Palästina und des geliebten Al-Kuds.“ Al-Kuds ist der arabische Name für Jerusalem.

Reaktionen
: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte mit Bezug auf das von ISNA verbreitete, schärfere Zitat, der als gemäßigt geltende Rohani sei ebenso ein Feind Israels wie Ahmadinedschad. „Rohani zeigt sein wahres Gesicht früher als erwartet“, sagte Netanjahu. „So denkt dieser Mann, so lauten die Pläne des iranischen Regimes.“