Weil zwei junge Männer ihren Bruder vor einer jungen Frau beschützen wollen, wenden sie Gewalt gegen ihren Vater an – ein verworrener Fall.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Sindelfingen - Seltsame Auswüchse hat ein falsch verstandener Familiensinn im Sommer 2010 in Sindelfingen getrieben. Der Streit zwischen einem 22-Jährigen und dem Vater einer jungen Frau, die damals mit dem 20-jährigen Bruder des 22-Jährigen befreundet war, mündete in einer handfeste Schlägerei, in deren Verlauf der 22-Jährige dem Vater der Frau einen Faustschlag ins Gesicht verpasste. Doch die beiden Kontrahenten blieben dabei nicht unter sich: Ein weiterer, 21 Jahre alter Bruder des 22-Jährigen mischte bei der Auseinandersetzung kräftig mit: Er verpasste dem Vater bei der Rauferei einige kräftige Tritte gegen das Schienbein.

 

Faustschlag kostet 2100 Euro

Der Auslöser der ungewöhnlichen Schlägerei konnte gestern bei der Verhandlung am Amtsgericht in Böblingen nicht eindeutig geklärt werden. Von Eifersucht des 22-Jährigen war die Rede und von einem „schwierigen Charakter“ der 22 Jahre alten Frau, so die beiden Brüder, die sich jeweils wegen einer gefährlichen Körperverletzung verantworten mussten. Das Schöffengericht hatte alle Hände voll zu tun, hakte bei den beiden Angeklagten und den Zeugen ausführlich nach, um den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse ans Licht zu bringen. Das war nicht einfach angesichts der Emotionen, die im Spiel waren. Dennoch konnte das Durcheinander, das die Verhandlung lange Zeit prägte, nach und nach geklärt werden und schließlich ein Urteil gesprochen werden.

Faustschlag kostet 2100 Euro

Der 22-Jährige muss wegen einer Körperverletzung 2100 Euro Geldstrafe zahlen. Das Verfahren gegen seinen Bruder, den Komplizen bei der Schlägerei, wurde indessen eingestellt, weil ein mögliches Urteil nur unwesentlich ins Gewicht fiele, so das Schöffengericht. Denn wegen Diebstahls, versuchter Erpressung und zweifachen Betrugs muss der 21-jährige Mann, der den Vater getreten hatte, ohnehin im April eine einjährige Jugendstrafe antreten. „Auf weitere ein, zwei Monate Freiheitsentzug kommt es auch nicht mehr an“, so der Vorsitzende Richter Günter Scheible.

„Er ist es gewesen“

Zunächst behauptete der 21-Jährige bei der Verhandlung, er sei an der Schlägerei gar nicht beteiligt gewesen. „Ich war zu Hause“, sagte der Sindelfinger stattdessen. Tatsächlich hatte sich der 21-Jährige bei der Auseinandersetzung spätabends vor der Haustür der jungen Frau zunächst im Dunkeln im Hintergrund gehalten. Erst als sein 22-jähriger Bruder mit dem Vater in Streit geriet, mischte er sich ein. Dabei wurde der 21-Jährige zwar von dem 49-Jährigen nicht eindeutig erkannt, dessen Statur prägte sich aber ein: „Es ist ein Riesenberg vor mir gewesen“, beschrieb der Vater die Korpulenz und die Muskelberge des 21-Jährigen. Eindeutig war hingegen die Zeugenaussage der 22-jährigen Frau, deretwegen sich der Vater und der 22-Jährige geprügelt hatten: „Er ist es gewesen“, so die Tochter.

Brüder machen sich für Bruder stark

Und als sich der Richter Scheible den 21-Jährigen noch einmal zur Brust nahm und ihm einschärfte, doch noch einmal ganz genau darüber nachzudenken, ob er vielleicht nicht doch bei der Schlägerei mitgemischt habe, räumte der junge Mann ein: „Ja, aber es waren nur zwei, drei Tritte.“

Völlig schleierhaft war dem Vorsitzenden Richter, warum die beiden Brüder den Vater überhaupt aufgesucht hatten. „Ich wollte meinen Bruder schützen. Der Vater sollte dazu überredet werden, seine Tochter dazu zu bewegen, sich von ihm zu trennen“, so der 22-jährige Haupttäter. Scheible meinte dazu nur knapp: „Es ist doch sein Problem, wen er liebt.“ So klein sei der kleine Bruder schließlich auch nicht mehr.