Donald Trump fürchtet das Polizeifoto, aber genießt die öffentliche Aufmerksamkeit rund um seine Anklage. Der Ex-Präsident versucht aus dem Gerichtstermin finanziellen Profit zu schlagen. In New York herrscht bei seiner Ankunft der Ausnahmezustand.

Die Spendenaufrufe kommen in schneller Folge. „EILMELDUNG: PRÄSIDENT TRUMP ANGEKLAGT“ steht über einer E-Mail an seine Anhänger. „Ja, ich wurde angeklagt, ABER“ über einer anderen. Wobei das „ABER“ für den Anlass der elektronischen Post des Mannes steht, der nichts so sehr liebt, wie alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Trump will seit der Ankündigung seiner Anklage am vergangenen Donnerstag vier Millionen Dollar eingenommen haben. Eine Behauptung, die erst in Wochen überprüft werden kann, wenn sein Wahlkampfteam der Aufsichtsbehörde Zahlen vorlegen muss.

 

In New York hatten sich die Sicherheitskräfte mit der Alarmbereitschaft für alle 35 000 Polizeibeamten der Stadt auf die Anklageerhebung vorbereitet. Hubschrauber kreisten über dem Trump-Tower in Manhattan, wo der Republikaner am Montag ankam. Die US-Medien inszenierten bereits die Anreise als Spektakel – Fernsehsender übertrugen jede Reiseetappe des 76-Jährigen live. Auf der Straße vor dem Wolkenkratzer waren Barrikaden errichtet, Dutzende Pressevertreter, aber nur vereinzelte Demonstranten warteten. Bürgermeister Eric Adams warnte vorsorglich davor, gewalttätig zu werden. New York sei kein „Spielplatz für unangebrachte Wut“.

Das FBI hat keine Hinweise auf gewaltsame Demonstrationen

Aber weder die lokalen Behörden noch die Bundespolizei FBI hatten Erkenntnisse, dass ein gewaltsamer Aufstand im Stil des 6. Januar 2021 drohen könnte. Analysten erklären das mit dem Durchgreifen der Justiz gegen die Organisatoren und Rädelsführer des Sturms auf den Kongress.

Der Angeklagte selbst übt keine Zurückhaltung. Nachdem Trump bereits den Chefankläger Alvin Bragg angegriffen hatte, teilte er in seinem wütenden Rundumschlag auch gegen Richter Juan M. Merchan aus, dem er um 14:15 Uhr Ortszeit (20.15 MEZ) vorgeführt werden sollte. Der Termin hatte bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht begonnen. Auf seinem hauseigenen Netzwerk „Truth Social“ hielt Trump Merchan vor, er sei von Bragg „handverlesen“ worden. „Der Richter … HASST MICH“.

Trumps wütende Ausbrüche schaden ihm womöglich

Trumps Anwalt Joseph Tacopina versuchte, bei einem Fernsehinterview den Schaden einzudämmen, den Trump für sich selbst angerichtet haben könnte. „Ich habe kein Problem mit dem Richter“, erklärte Tacopina auf CNN zu Merchan, der den Finanzchef der Trump-Organisation Allen Weisselberg wegen Steuerbetrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt hatte. Dieser musste übrigens in Handschellen vor Richter Merchan erscheinen. Ein Szenario, das dem Ex-Präsidenten möglicherweise erspart bleibt.

Trump dürfte auch um den „Perp-Walk“ herumkommen und muss nicht in einer Gefängniszelle auf die Vorführung warten. Stattdessen begleitet ihn nach den bisherigen Planungen eine Phalanx aus Secret-Service-Beamten durch einen Seiteneingang in ein Verhörzimmer. Der von Trump gefürchtete „Mugshot“ – ein Slangwort für die Polizeifotos zur erkennungsdienstlichen Behandlung – wird ihm nicht erspart bleiben, vielleicht aber die Veröffentlichung der Fotos. New York hält diese in der Regel unter Verschluss.

Womöglich bekommt der Angeklagte ein Redeverbot auferlegt

Unklar blieb, ob Richter Merchan nach den persönlichen Ausfällen gegen ihn und den Chefankläger eine sogenannte „Gag-Order“ erlässt, die Trump verbietet, sich öffentlich zum Prozess zu äußern. „Ich wäre an seiner Stelle vorsichtig“, rät Braggs Vorgänger Cyrus R. Vance, der jahrelang in der Schweigegeld-Affäre ermittelt hatte. Mit seinen Angriffen auf die Justiz riskiere er, wegen „Behinderung der Staatsgewalt“ strafrechtlich verfolgt zu werden.

Trumps Berater Jason Miller versprach, der Angeklagte werde sich nicht verkriechen. „Er weiß, worum es am Ende geht: Zurück ins Weiße Haus zu kommen.“ Dass der Ex-Präsident nicht im Traum daran denkt, Zurückhaltung zu üben, machte er mit der Ankündigung einer Pressekonferenz nach Rückkehr in Mar-A-Lago an. Eine direkte Reaktion auf den Auftritt des Chefanklägers Bragg nach Veröffentlichung der Anklage.

Der Politologe Kevin Wagner von der „Florida Atlantic University“ stellt infrage, ob Trump der Prozess politisch tatsächlich hilft. Vielleicht bei den Vorwahlen in der eigenen Partei, aber nicht unbedingt bei den Präsidentschaftswahlen, meint er. „Das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang“, gibt Wagner zu bedenken. Zumal auf Trump möglicherweise schon in den kommenden Tagen viel größere Probleme im Bundesstaat Georgia erwarten. Dort bereitet die Chefanklägerin von Fulton County eine Anklage wegen seiner Rolle bei der versuchten Manipulation der Wahlergebnisse vor.