160 000 Euro wollte ein Rentner bei Wüstenrot anlegen. Ein Berater im südlichen Niedersachsen zweigte das Geld aber für sich ab. Wüstenrot lehnt die Haftung ab. Im November geht der Streit vor Gericht.

Stuttgart - Am 22. November verhandelt das Landgericht Stuttgart die Klage eines Rentners aus Niedersachsen, der bei dem Finanzkonzern Wüstenrot 160 000 Euro anlegen wollte und nun plötzlich mit leeren Händen dasteht. „Damit ist das gesamte Geld von drei Generationen weg: das eigene, das von meinen Eltern und das von meinen Schwiegereltern“, klagt er. Der 75-Jährige wurde – ebenso wie mindestens 20 weitere Anleger – Opfer eines Außendienstpartners der Bausparkasse Wüstenrot im Süden Niedersachsens, der Zahlungen, die eigentlich für den Finanzkonzern zur Geldanlage bestimmt waren, für sich selbst abzweigte – womöglich um Spielschulden zu tilgen. Der Berater zeigte sich im März 2014 bei der Polizei selbst an. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover, wohin das Geld geflossen ist und wie hoch die Schadensumme ist.

 

Den Rentner aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont bringt auf die Palme, dass sich Wüstenrot für die Taten des Außendienstlers, der als freier Handelsvertreter selbstständig für den Finanzkonzern gearbeitet hat, offenbar in keiner Weise verantwortlich fühlt – und somit auch nicht für den entstandenen Schaden. Vielmehr sieht sich die Bausparkasse durch den Mann, dem sofort nach Bekanntwerden der Vorgänge fristlos gekündigt wurde, selbst geschädigt. Am 11. April stellte Wüstenrot Strafanzeige gegen den früheren Finanzberater mit der Begründung, dass er mit krimineller Energie seine Inkasso-Berechtigung missbraucht und dem Unternehmen einen Reputationsschaden zugefügt habe.

Fingierte Bescheinigungen haben für Ruhe gesorgt

Der 75-Jährige berichtet, wie geschickt der Berater vorgegangen ist: So verschickte er auf Wüstenrot-Papier eine Geldeingangsbestätigung auf einem Festgeldkonto der Wüstenrot Bank über die Teilsummen 100 000 Euro und 60 000 Euro, schrieb zunächst Zinsen in der Höhe des vereinbarten Zinssatzes von einem Prozent gut und bescheinigte den geleisteten Zinsabschlag (Kapitalertragsteuer). Erst danach blieben die Zahlungen aus, so dass der Anleger misstrauisch wurde.

Der Wüstenrot-Kunde will nicht einsehen, dass er sein gesamtes Vermögen verloren haben soll, nur weil er Geld auf ein falsches Konto überwiesen hat. Die Gesamtsumme von 160 000 Euro ging nämlich auf ein Konto mit der Bezeichnung „Wüstenrot“, ergänzt um den Vor- und Zunamen des Beraters. Dabei handelte es sich um ein Privatkonto des Außendienstlers und nicht um ein Wüstenrot-Konto. Trotzdem ist der Geschädigte überzeugt, dass das Unternehmen auch für die Handlungen eines Handelsvertreters verantwortlich ist, und beruft sich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank. Dort heißt es über die Haftungsgrundsätze: „Die Bank haftet bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen für jedes Verschulden ihrer Mitarbeiter und der Personen, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen hinzuzieht.“

Die Bank bietet nichts an, klagt der Anleger

Das hat der Mann aus Niedersachsen dem Bankvorstand in einem Brief dargelegt und gefordert, dass der Schaden wieder gutgemacht wird. Einen Antwortbrief, unterschrieben von den beiden Vorstandsmitgliedern Marc Kaninke und Rüdiger Maroldt, hat er zwar erhalten, aber mehr als Äußerungen des Bedauerns war dem Schreiben nicht zu entnehmen; eine Haftung lehnt die Bank ab. Die Auskunft von Wüstenrot, dass das Unternehmen in gut einem Dutzend Fällen mit Geschädigten des Beraters in Kontakt stehe, quittiert er mit einem bitteren Lachen: „Was habe ich davon, wenn nichts angeboten wird?“, fragt er. Wüstenrot bestätigt, dass mittlerweile eine zweite Klage eingegangen ist. Über den Inhalt der Gespräche mit den anderen Kunden äußert sich der Konzern nicht.

Der geprellte Rentner hat lange überlegt, ob er Wüstenrot verklagen soll. Denn das ist auch eine Frage des Geldes. Von seinem Rechtsanwalt hat er sich vorrechnen lassen, dass er beim Streit um einen Betrag von 160 000 Euro mit Kosten für Gericht und Anwalt von 20 000 Euro zu rechnen habe; im Fall einer Niederlage vor Gericht würde er auf den Rechnungen sitzenbleiben – Geld, das er nach eigenem Bekunden nicht hat. Ursprünglich hatte er die Idee, sich mit anderen Geschädigten zusammenzutun und eine Art Sammelklage einzureichen. Zwar fand er via Zeitungsannonce drei Gleichgesinnte, aber die Botschaft der Juristen war eindeutig: Jeder Fall muss gesondert verhandelt werden.

Um Geld zu sparen, hat er Wüstenrot deshalb erst einmal nur auf eine Teilschadensumme von 10 000 Euro verklagt; das führt zu Gerichts- und Anwaltskosten von 750 Euro. Hinzu kommen freilich noch die Kosten für die Reise nach Stuttgart zum Gerichtstermin am 22. November.