Mit satten Gebührenerhöhungen fürs Anwohnerparken wollte der Tübinger OB Boris Palmer ökologischer Vorreiter sein – und scheiterte damit. Jetzt hat der Klimaausschuss einen Kompromiss gefunden.

Tübingen - Von 30 auf 360 Euro für große Autos wie SUVs wollte der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer die jährlichen Anwohnerparkgebühren anheben – ein Aufreger, der jetzt vom Tisch ist. Im Klima-Ausschuss der Stadt hat der grüne Politiker einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der am Montagabend mehrheitlich auf Zustimmung bei den Fraktionen stieß. Endgültig darüber abstimmen wird der Gemeinderat in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause Ende September.

 

Schwerere Autos sollen mehr zahlen

Die Tübinger Anwohner sollen künftig 120 Euro im Jahr zahlen. Für Autos mit Verbrennungsmotor, die mehr als 1800 Kilogramm wiegen, und für Elektroautos mit einem Gewicht von mehr als 2000 Kilogramm werden 180 Euro fällig. Aufgrund der Batterie sind Letztere schwerer, dieser Nachteil wird berücksichtigt. Sozial schwache Tübinger mit einer Bonuscard zahlen lediglich die Hälfte der Gebühr.

Er sehe Tübingen als ökologischen Vorreiter hatte Boris Palmer seinen Vorschlag der Verzwölffachung der Gebühren im Juli vollmundig begründet. Mittlerweile gibt er sich bescheidener und geht einen Weg des Kompromisses, um eine tragende Mehrheit hinter sich zu haben. „Es soll einen spürbaren Unterschied geben zwischen kleinen Stadtfahrzeugen und großen Geländewagen, die eigentlich in der Stadt nicht zwingend benötigt werden.“

Keine Reduktion für Elektroautos

Ein Rabatt für klimafreundlichere Elektroautos ist in der Satzung nicht mehr vorgesehen. „Das Land hat uns geschrieben, dass es unzulässig wäre, Elektroautos zu begünstigen“, erläutert Palmer den Ausschussmitgliedern. Leider gebe es „politisch keinen Wunsch, eine solche Förderung zu etablieren“.

Tübingen will als Stadt bis 2030 klimaneutral sein, das ist das erklärte Ziel. Dafür müsse der Nahverkehr massiv ausgebaut und günstiger werden, heißt es von Seiten der Stadtverwaltung. Die höheren Straßenparkgebühren tragen zur Finanzierung der geplanten Absenkung der Busstarife bei. Die Kommune rechnet mit Einnahmen von jährlich 576 000 Euro durch die neuen Gebühren. Vorgesehen ist auch eine sukzessive Ausweitung der Gebührenzonen, wie sie im Klimaschutzprogramm festgezurrt wurde. Zunächst sollen in der Nordstadt und in Lustnau weitere Bewohnerparkgebiete ausgewiesen werden.

Die Deckelung für die Parkgebühren ist gefallen

Möglich wird die Erhöhung durch eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes im Juli 2020. Früher lagen die Gebühren fürs Anwohnerparken bundesweit bei maximal 30,70 Euro pro Jahr, was etwa den Verwaltungskosten für die Ausstellung der Parkausweise entspricht. Mittlerweile ist die Deckelung gekippt. Die Länder dürfen eigene Gebührenordnungen erlassen oder diese Aufgabe auf die Kommunen übertragen, wie es in Baden-Württemberg geschehen ist.

Etliche weitere Städte prüfen Anhebungen. Freiburg strebt eine Erhöhung auf 360 Euro an und hat alle Mühe, die Modalitäten festzulegen, weil möglichst viele Sonderregelungen berücksichtigt werden sollen. Frühestens Anfang 2022 wird die Verteuerung greifen, wie eine Sprecherin der Stadt bestätigt. Diskutiert wird darüber auch in Reutlingen, Stuttgart oder in Ulm. In der Donaustadt sollen die Gebühren stufenweise steigen. „Es wird teurer, aber es ist noch alles im Gespräch“, sagt eine Sprecherin. Rund 200 Euro könnte dort ein Jahresausweis künftig kosten. Was die Kommunen mit den Einnahmen machen, bleibt ihnen laut Stuttgarter Verkehrsministerium selbst überlassen.

Kostenloses Parken muss aufhören, fordert der BUND

Auch aus Sicht der Umweltschutzorganisation BUND sind höhere Anwohnerparkgebühren überfällig. Wer ein Haus kaufe, müsse für einen Tiefgaragenstellplatz schnell mal mehrere Zehntausend Euro zahlen, sagt die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch. „Es kann nicht sein, dass wir unsere Straßen den Anwohnern fast kostenlos zur Verfügung stellen.“